Karlsruhe „Es lagen andere Lösungen auf dem Tisch“

Emil Dister
Emil Dister

«Karlsruhe/Rheinstetten.» Die Pläne für die Umgestaltung des Freizeitareals in Rappenwört, die für den neuen Hochwasserpolder Bellenkopf/Rappenwört notwendig erscheinen, erhitzen weiter die Gemüter. Der Auenökologe Emil Dister, von 1985 bis 2014 Chef des WWF-Aueninstituts Rastatt, beantwortete Stefan Jehle Fragen zu Natur- und Hochwasserschutz.

Die Planung des Hochwasser-Polders betrifft unterschiedliche Abschnitte und hat verschiedene Aspekte. Im Fall Rappenwört wird schon lange gestritten um die hochtechnisierte Lösung mit einer Spundwand und die Höherlegung einer Zufahrt …

Die Spundwand war in der Planungsphase von der ökologischen Seite zu keiner Zeit ein angestrebtes Ziel. Das war nach meiner Kenntnis das, was die Stadt Karlsruhe von der Planung gefordert hatte. Wir müssen als Spezialisten für Auenökologie einräumen, dass man aus ökologischer Sicht wenig daran kritisieren kann. Eine von mehreren alternativen Optionen wäre gewesen, den Parkplatz zu verkleinern und geringfügig aufzuschütten – weil man nach unserer Ansicht die Vielzahl der Stellplätze nicht braucht. Damit wäre man dann auch ohne die Spundwand zurecht gekommen. Sprich: Sie gehen davon aus, dass dies im Ursprung eine Zielsetzung der Stadtverwaltung selbst war – und nicht des Planungsträgers Regierungspräsidium? Nach meiner Kenntnis waren Spundwand und Aufständerung der Zufahrt nicht vom Regierungspräsidium als Planungsziel eingebracht worden, sondern dies kam von Seiten der Stadt. Es lagen andere Lösungen auf dem Tisch. Der frühere Dezernent der Stadt Rheinstetten, Bertold Treiber, hatte den Vorschlag eingebracht, die Ausleitung von Rheinwasser in die Auen bei niedrigen Wasserspiegel-Lagen zu begrenzen. Auch das würde einen weitgehenden Verzicht auf die Spundwand ermöglichen und es bräuchte dann auch keine Höherlegung der Zufahrt… Eine Reduktion der Wassermengen, die in dem Gebiet des künftigen Polders einfließen sollen, scheidet in jedem Fall aus. Man braucht einfach das berechnete Volumen für die Rückhaltung im Retentionsfall. Und man braucht höhere Abflüsse bis zu einer Größe von 4000 Kubikmetern je Sekunde auch für eine vernünftige ökologische Anpassung. Da kommt man aus fachlicher Sicht nicht darum herum, sonst erreicht man auf der Fläche gar nichts (Anm. d. Redaktion: Bertold Treiber plädierte für eine Kappung bei einer Wassermenge von 2500 Kubikmeter je Sekunde). Wären mit der von Treiber geforderten Kappung die Ziele überhaupt erreichbar? Mit den Abflussmengen, die Herrn Treiber vorschweben, wird etwa ein Drittel der Überflutungsfläche überhaupt nicht mit Wasser bespannt und damit auch nicht vorbereitet auf etwaige Hochwasserlagen. Für diese Teilflächen wären Schädigungen vorhersehbar. Das wird nicht tragbar sein, weder für das Regierungspräsidium, noch für die Stellen, die die ökologische Verträglichkeit prüfen. Bei der Höherlegung der Hermann-Schneider-Allee sagt die Stadt, das müsse sein, sonst werde die Straße ständig unterspült ... Ich für meine Seite, als Auenökologe, kann nur zu dem Aspekt Stellung nehmen, der ökologisch relevant ist: nicht zu den technischen Fragen, das liegt nicht in meiner Kompetenz, und auch nicht zu sonstigen Fragestellungen. Da bitte ich um Verständnis. Es darf unterstellt werden, dass Sie am liebsten eine ungesteuerte ökologische Flutung gehabt hätten: ohne jedes technische Bauwerk ... Am besten wäre natürlich eine Deich-Rückverlegung gewesen. Das war nicht erreichbar, da hat man dann Kompromisse gemacht. Aber das was mit den Planungen im jetzigen Verfahren erreicht wurde, ist – vom hydrologischen Geschehen aus gesehen – das Beste, was Baden-Württemberg an irgendeiner Stelle bislang zu bieten hat. Der frühere zuständige Abteilungsleiter im Regierungspräsidium Karlsruhe sagte mal, der jetzt geplante Polder Bellenkopf/Rappenwört sei der ökologischste Polder, der je in die Planfeststellung kam. So ist es. Es gibt in Baden-Württemberg keine bessere Lösung.

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