Kaiserslautern Zwischen Provokation und Extremismus

Kunstfreiheit versus Zivilcourage? Auf diese plakative Formel lässt sich eine wochenlange öffentliche Kontroverse in Speyer verkürzen. Anlass ist das für Samstag, 19. November, geplante Black-Metal-Festival „Sinister Howling V“ in der vom Speyerer Rockmusikerverein betriebenen und dafür an die Agentur „Drohende Schatten“ des Heidelberger Konzertveranstalters Jonas Schork vermieteten Halle 101. Die Argumente in der festgefahrenen Debatte sind teils diffus und unübersichtlich. Eine Chronologie der Ereignisse: 13. August: Die Speyerer RHEINPFALZ-Lokalredaktion berichtet über Vorwürfe in anonymen E-Mails, bei dem Festival – dem fünften dieser Art in der Halle 101 – sollten angeblich offen rechtsextreme Gruppen auftreten. Im Mittelpunkt der Kritik steht die französische Band „Peste Noire“. Verein und Veranstalter verweisen auf das Fehlen stichhaltiger Beweise für die Vorwürfe und warnen vor „Schubladendenken“ gegen ein ganzes, extremes Musikgenre. Dabei beruft sich vor allem Veranstalter Schork auf Kunstfreiheit zur Verwendung von NS-Bezügen als provokantes Stilmittel im Black Metal. Die ihm unterstellte Nähe zu Rechtsextremisten sei ein unfaires Mittel, um öffentlichen Druck gegen solche Konzerte zu erzeugen. Sieben Jahre zuvor hatte Schork die ebenfalls in Speyer angekündigte französische Band „Celestia“ nach schweren Rechtsextremismus-Vorwürfen gegen deren Sänger wieder ausgeladen. Das damalige Festival war, wie alle anderen in der Stadt, friedlich verlaufen. 26. August: Eine Gruppe, die sich selbst „Antifaschist_innen aus Speyer und Umgebung“ nennt und ansonsten namenlos bleibt, fordert den Rockmusikerverein dazu auf, das Hallen-Mietverhältnis mit dem Konzertveranstalter rückgängig zu machen. In einem beigefügten Dokument begründet die Gruppe ausführlich, aber teils ohne eindeutige Quellenangaben die aus ihrer Sicht rechtsextreme und antisemitische Gesinnung von „Peste Noire“. 30. August: Rockmusikerverein und Konzertveranstalter erklären, solange öffentlich-rechtliche Stellen die Vorwürfe nicht bestätigten, werde das Konzert wie vorgesehen stattfinden. 6. September: Das Speyerer Bündnis für Demokratie und Zivilcourage fordert die Absage des Festivals, das „kein wertvoller Kulturbeitrag“ für die Stadt sei. Der Rockmusikerverein, so heißt es, sei „von seinen Veranstaltungspartnern über deren ideologischen Hintergrund getäuscht“ worden. 7. Oktober: Der Rockmusikerverein schließt „Peste Noire“ vom Festival aus. Grundlage sei eine Neubewertung der Situation, nachdem eine Überprüfung der Band durch unabhängige Experten ein ambivalentes Bild ergeben habe. Dabei gehe es auch darum, weiteren Schaden zu vermeiden, zumal die Diskussion inzwischen persönliche Anfeindungen und unverhohlene Drohungen enthalte. Der Verein distanziere sich von jeglichem Extremismus. 15. Oktober: Veranstalter Schork verpflichtet eine norwegische Band als Ersatz für „Peste Noire“. Deren Sänger kritisiert im Internet die „Hyänen der Antifa“. Einem Gerücht zufolge sollen die Franzosen am 18. November an einem unbenannten Ort „im Umkreis von Speyer“ auftreten. Schork sagt, er wisse noch nicht, wie es nach „Sinister Howling“ weitergehe. 25. Oktober: Die Trierer Bundestagsabgeordnete Katrin Werner (Die Linke) fordert in einem Offenen Brief an die Speyerer Stadtverwaltung, das Festival abzusagen und Schork von der Hallennutzung auszuschließen. Im städtischen Kulturausschuss scheitert die Linke mit dem Antrag, dem Rockmusikerverein kommunale Fördergelder in Höhe von 1400 Euro so lange zu verweigern, bis er sich von Schork trenne und distanziere. 11. November: Der stellvertretende Linke-Fraktionsvorsitzende im Speyerer Stadtrat, Aurel Popescu, spricht von möglichen Zusammenhängen zwischen „Szenekonzerten“ und „Verbrechen des NSU“. 15. November: Rechtsanwalt Christian Koch, der im Internet als „Metal-Anwalt“ auftritt, teilt mit, soweit Veranstalter Schork bekannt sei, habe die Gruppe „Peste Noire“ ihr für Freitag geplantes Konzert an einem anderen Ort, mit dem Schork jedoch nichts zu tun habe, abgesagt. Laut Rockmusikerverein sieht die Polizei mit Blick auf das Speyerer Festival „keine Anhaltspunkte für ein eventuelles Gewalt- oder Gefahrenpotenzial“.

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