Kaiserslautern Techno, Thriller, Träume

Den 2014er-Jahrgang zu toppen, dürfte der 65. Berlinale schwerfallen: Zwei bärengekrönte Wettbewerbsfilme aus dem Vorjahr haben in drei Wochen Chancen auf den Oscar als bester Film. Festivaldirektor Dieter Kosslick aber ist guter Dinge, zumal er für das von 5. bis 15. Februar dauernde Spektakel große Namen wie Terrence Malick, Werner Herzog oder Peter Greenaway verpflichten konnte. Und er verspricht wieder ein politisches Programm: „In zahlreichen Filmen geht es um den Umgang mit Minderheiten, um Religion und Religionswahn.“

Drei Filme von deutschen Regisseuren stehen im 19 Beiträge starken Wettbewerb um den Goldenen Bären, zudem laufen außer Konkurrenz Wim Wenders’ Schriftstellerporträt „Every Thing Will Be Fine“ und Oliver Hirschbiegels („Der Untergang“) Filmbiografie „Elser“ über den gescheiterten Hitler-Attentäter. Auch Andreas Dresen widmet sich in seiner Wettbewerbsarbeit der deutschen Geschichte, jedoch der jüngeren: „Als wir träumten“ blickt auf die Anfänge der Techno-Szene in Berlin, als eine neue Musik junge Menschen aus Ost und West zusammenbrachte – ein Sound als „gesellschaftlicher Kitt“, wie es Dieter Kosslick ausdrückt. „Wir wollen Filme auswählen, die einen gewissen Zeitgeist widerspiegeln. Filme, die auch mit der Geschichte unseres Landes zu tun haben“, sagt der Berlinale-Boss über die Beiträge mit deutscher Beteiligung. So erzählt Sebastian Schipper („Absolute Giganten“) in seinem Thriller „Victoria“ eine Berliner Nachtgeschichte, angekündigt als „Film über eine Jugend, die mehr will“. Altmeister Werner Herzog dagegen schickt in der US-Produktion „Queen Of The Desert“ Nicole Kidman als Reiseschriftstellerin Gertrude Bell durch jene Länder, in denen heute die Terrormiliz IS wütet. An ihrer Seite: James Franco, der auch im Wenders-Film und in „I Am Michael“ (Reihe Panorama) spielt und eines der Gesichter der 65. Berlinale werden könnte. Auch sonst geht es im Wettbewerb wieder gesellschaftspolitisch zu, aber auch philosophisch. Von starken Frauen in einer Männerwelt erzählt die katalanische Regisseurin Isabelle Coixet („Elegy“) im Eröffnungsfilm „Nobody Wants The Night“: Im Grönland des Jahres 1908 spielt der Abenteuerstreifen mit Juliette Binoche und der Japanerin Rinko Kikuchi („Babel“). Und Terrence Malick, der zuletzt den Festivals von Cannes und Venedig den Vorzug vor Berlin gab, verarbeitet in „Knights Of Cups“ laut Kosslick seine Vorliebe für die Gedanken Heideggers. Seichter geht es zumindest in Teilen in der Reihe Special zu, die immer ausufernder wird und nicht unbedingt ein klares Konzept verfolgt: Große Namen mit in den Augen der Auswahlkommission weniger gelungenen Filmen sowie Populäres für die Massen sind hier versammelt. So zeigt der Fotograf und Regisseur Anton Corbijn („A Most Wanted Man“) seine James-Dean-Biografie „Life“ hier als Weltpremiere, und Margarethe von Trotta die Uraufführung von „Die abhandene Welt“ über zwei ungleiche Frauen (Katja Riemann und Barbara Sukowa). Dass diese Filme nicht in den Wettbewerb oder die zweitwichtigste Reihe Panorama geladen wurden, ist Indiz dafür, dass aus ihnen nicht das ganz große künstlerische Kino geworden ist. Gleiches dürfte für „Woman In Gold“ von Simon Curtis („My Week With Marilyn“) gelten, wobei hier auch die Besetzung Schuld sein kann: Es spielt Daniel Brühl mit, der – wie auch Audrey Tautou oder „Hannibal“-Produzentin Martha De Laurentiis – in der Wettbewerbsjury sitzen wird, die Regisseur Darren Aronofsky leitet. Neben Arthaus-Weltpremieren zeigt die Reihe Special kurz vor dem regulären Kinostart auch die SM-Bestsellerverfilmung „50 Shades Of Grey“: eine Programmentscheidung, die einem A-Festival nicht gerade gut zu Gesicht steht, aber für Diskussionen sorgt. Und im Gespräch bleiben will die Berlinale, um nicht das Nachsehen gegenüber Cannes, Venedig, Toronto und gar Sundance zu haben, von wo einige Europapremieren geholt werden, wie ein neuer Film über Nirvana-Kopf Kurt Cobain. Sowohl fürs Publikum wie den Markt hat die 65. Berlinale zugleich neue Angebote ersonnen, um sich weiterzuentwickeln: Beim Co-Production Market, den es nun zum zwölften Mal gibt, werden neben 36 neuen Spielfilmprojekten aus 28 Ländern erstmals Serienvorhaben präsentiert. Unter den sechs Projekten ist auch „Babylon Berlin“, das erste deutsche Serienkonzept von Tom Tykwer. Dagegen schon fertig ist die erste TV-Serie von Matthias Glasner („Der freie Wille“), der bereits mehrfach im Berlinale-Wettbewerb war, aber auch schon „Tatorte“ drehte: „Blochin“ mit Jürgen Vogel läuft als Sondervorführung im Special, später dann im ZDF.

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