Kaiserslautern Stallgeruch und Grüntee

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„90 Jahre Citroën in Deutschland“, wirbt neuerdings die Marke, die mit Peugeot und DS zum französischen Autohersteller PSA gehört. Der Konzern, der wohl Opel übernehmen wird. Soll wohl heißen, auch wir haben eine deutsche Tradition. An den Symbolcharakter von Opel reicht sie nicht heran. Eine kurze Geschichte.

Roland Barthes, der Philosoph, schrieb in seinen „Mythen des Alltags“ über den neuen Citroën DS, Baujahr 1955: „Er fällt ganz offenkundig vom Himmel“. Bei Opel aber hat man es seit jeher mehr mit der Bodenständigkeit. Es ist eine der deutschesten Marken, die je der Fall waren. Vor allem wenn man bedenkt, dass Opel seit 1929 ein Ableger der US-Firma General Motors ist. Mein Opa zum Beispiel fuhr immer brav Opel, bevor er zum Schluss sich einen Mercedes erlaubte. Ein Zwei-Mann-Speditionsunternehmer. Erst fuhr er Kapitän, dann den einen oder anderen Rekord, zum Beispiel einen weißen, viertürigen. Ein Wagen, dessen Lenker unauffällige Solidität ausstrahlen wollten, ohne aufzufallen. In der Werbung hieß er: „der Zuverlässige“. Rekord, der Name sagte doch schon alles, der Tachometer ging bis 200. Und dass das Auto der „oberen Mittelklasse“ auch von Kleinbürgern aus der westlich liegenden Hinterpfalz gefahren werden konnte, verhieß Ludwig Erhards Versprechen vom „Wohlstand für alle“ als im Drehzahlbereich des Möglichen. Für die Neureichen blieb ja als Gestus der Commodore oder Monza. Ganz oben chauffierte man gediegen weltmännisch. Im „Admiral“ oder „Diplomat“, später dem „Senator“. So wurde insgesamt gesellschaftliche Repräsentanz erreicht. Der Autor selbst lenkte – absolut zeittypisch für einen Fahranfänger der ersten 1980er-Jahre – ein Kadett Coupé zum Debüt. Grün mit schwarzem Vinyldach. Baujahr 1967. Hatte 500 Mark gekostet und brachte 1500 Mark, als er Fremdverschulden zum Opfer fiel. Nach diesem „wirtschaftlichen Totalschaden“, der keiner war, startet eine andere Geschichte. Die von Opel begann als Nähmaschinenfabrik und Produzent von Fahrrädern. Erst als Firmengründer Adam Opel tot war, kamen die Autos. Und es kann sein, dass seither immer mal wieder ein gewisser Hang bestand, die Dinge zu verbocken. Wobei, wie der greise Aufsichtsrat Wilhelm von Opel, gleichwohl Parteimitglied und SS-Gönner, auf der Berliner Autoschau 1936 Adolf Hitler den P4 der Adam Opel AG persönlich vorstellte, ging fast schon sympathisch schief. „Heil Hitler, Herr Hitler! Und das, mein Führer, ist unser Volkswagen“ soll er gesagt haben, was „Herr Hitler“ wohl so semi-gut fand. So wurde die Konkurrenz aus Wolfsburg (von Ferdinand Porsche), obwohl damals noch gar nicht ausgereift, zum staatlich subventionierten Hersteller der völkischen Mobilität ernannt. Opel war zu der Zeit ganz groß, mit dem Export etwa des Modells „Laubfrosch“ der größte Devisenlieferant des Deutschen Reiches. Bei Opel liefen die ersten Fließbänder hierzulande. Auf der Avus raketete der RAK2, ein Opel-Rennwagen. Werbefigur war der himmelwärts strebende Bergsteiger- und Kernigkeitsdarsteller Luis Trenker. Im Zweiten Weltkrieg reüssierte Opel, wenn auch zweifelhaft, mit einem seit 1930 hergestellten Nutzfahrzeug, das bezeichnenderweise wie die große Offensive hieß, Blitz. Nach dem Krieg dann gehörte Opel zur Phänomenologie der Wirtschaftswunder-Bundesrepublik, eindeutig. Zur deutschen Identität eigentlich. Als rechtschaffen galt es, Opel zu fahren, trotz der Weißwandreifen und dem Übermut angetäuschter Heckflossen. Opel pflegte jahrzehntelang erfolgreich eine harmlos gutmütige Mediokrität wie sie Nachkriegsdeutschland selbst gut anstand. Die Autos wurden kongenial nach biedermeierlichen Sehnsuchtsorten wie Ascona benannt, derweil BMW schon mit dem haifischig grinsendem Kühlergrill des „Dreiers“ zum urbanen Straßenkampf aufbrach. Ein Niedergang begann mit dem sportlichen Manta, einer verfilmten fahrbaren Witzfigur im Nachhinein, der Opel zur Marke Möchtegerne degradierte. Danach begann sich der Kauf eines Opel als ernsthafte Option schleichend zu verunmöglichen. Das deutsche Wesen sozusagen fuhr der Marke davon. Audi zum Beispiel, lange auch nur mit Wackeldackel auf der Hutablage denkbar, mutierte zum Alternativ-Mercedes, Opel schickte immer noch wannenartige Karren wie den Omega ins Rennen. Es dauerte ewig, bis 1982 der Corsa auf einen Markt kam, den VW Polo und Ford Fiesta besetzten. Dazu kamen Fehler, die – so viel Zeit muss sein – General Motors zugeschrieben werden dürfen. Ein Harakiri-Sparkurs unter einem gewissen José Ignacio López, dem zu verdanken: zahllose Rückrufaktionen und ein Image-Crash sondergleichen. 2009 wollte General Motors Opel schon einmal verkaufen, kurzfristig. Unter anderem gehörte auch der Solarworld zu den Aspiranten. Der mittlerweile selbst ins Schleudern geratene Solarzellenhersteller wollte Opel elektrifizieren. Das indes schaffte Opel selbst und begann jetzt wieder zu reüssieren, unter anderem mit einem Elektroautomobil namens Ampera-e, Reichweite 520 Kilometer, ein „Tesla-Killer“ wie der Tech-Blog Mobile Geeks schreibt. Die Modelle heißen jetzt – immer noch wenig träumerisch – Insignia, Mokka, Zafira. Adam wie der Firmengründer, der von 1837 bis 1895 gelebt hat. Oder Karl, ein Kleinwagen, der mit dem Markenkernspruch „Ganz schön vernünftig“ werbend illuminiert wird. Natürlich Astra, wie die Sterne, die man ja bekanntlich „per aspera“, über raue Pfade erreicht. Obwohl, im Astra verströmt jetzt ein Wellness- Spender den Duft grünen Tees, Note Dark Wood. Zumindest diesen Stallgeruch, da besteht große Hoffnung, dürfte Opel auch nach der Übernahme durch PSA behalten.

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