Kaiserslautern Schelm der Nation befreit den Unsinn

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„Eigentlich wollte ich heute Abend persönlich erscheinen, stattdessen komme ich selbst.“ Nun, der nette Wirtschaftswunder-Onkel, der so gerne Unsinn erzählt, kam natürlich nicht selbst am Samstagabend auf die Bühne der Landstuhler Stadthalle. Aber die vier Damen und Herren aus Westfalen, die sich als Die bekannten Künstler bezeichnen, demonstrierten auf unterhaltsame Weise, dass die Heinz-Erhardt-Texte noch immer bühnentauglich sind.

Als charmanten Kauz gaben Susanne Kirchhoff, Sandra Wickenburg, Stefan Keim und Thorsten Strunk den 1909 in Riga geborenen Schauspieler, Pianisten, Filmer, Dichter und Humoristen Heinz Erhardt, der so ulkige Verse schrieb und sich auf drollig-hintersinnige Weise in die Herzen von Generationen spielte. Indem sie über den Künstler plauderten und seine bekanntesten Gedichte und Sprüche rezitierten, stellten sie dem Publikum einen kurzen Abriss seines Lebenslaufs vor. „Meine Geburt war im Kreißsaal. Und schon war ich sauer. Wieso heißt der Kreißsaal Kreißsaal, wenn er eckig ist?“ Bald wurde Erhardt populär, obwohl er nur hübsch drapierten Unsinn von sich zu geben schien. Aber die literarischen Spürnasen hatten hinter den grotesken Versen echte, starke Lyrik entdeckt. Den gesellschaftlichen Wandel in den 1950er Jahren begleitete er stets mit einem Schmunzeln. „Wer sich selbst auf den Arm nimmt, erspart anderen die Arbeit“, meinte er. Über Frauen bemerkte er, sie seien die Juwelen der Schöpfung, man müsse sie mit Fassung tragen. Solche Sprüche und erst recht seine Klassiker wie „Zeus“, „Der König Erl“, „Der Mohr von Venedig“ oder „Der Apfelschuss“, die Die bekannten Künstler herrlich vortrugen, bauen auf Wortspielen und verdrehten Redewendungen auf. „Wer wagt es Knappersmann oder Ritt zu schlumpfen in diesen Tauch“, heißt es in „Der Tauchenichts“, frei nach Schillers „Taucher“. Da die vom vorderasiatischen Strand entführte Europa sich mal willig, mal unwillig dem Göttervater hingeben wollte, kommt Erhardt zu dem Schluss: „Da wurde es Zeus ganz klar, dass Europa uneinig war!“ Wie hochaktuell, dieser Spruch! Auf humorvolle, effektvolle Weise, die er mit überraschenden Pointen krönte, holte Erhardt so manchen Dichterfürsten vom Sockel runter. Mit diesen bewussten Sprachschnitzern ging es ihm jedoch nie um Überheblichkeit und Auslachen, sondern allein um die Komik. Komisch sind sie, weil sie absurd sind – und anschaulich. Erhardt hat eine „Lust am befreiten Unsinn“. Die vier Künstler zeigten eine diabolische Lust, diese Gedichte, Reime oder gar kurzen Einakter zu spielen. Geräuschvoll, effektvoll rezitierten sie, oft abwechselnd, sich ergänzend und fügten dabei auch eigene Wortspiele und witzige Formulierungen hinzu. Lieder begleitete Stefan Keim dynamisch am Klavier. Große Requisiten brauchten sie nicht. Vielmehr untermalten sie ihre Spielereien mit großartiger Mimik und Gestik. Gegen Ende verschwiegen sie aber nicht, dass manches Erhardt-Gedicht wie „Der Einsame“, „Letzte Bitte“ oder „Ganz zuletzt“ auf subtile Weise um die Themen Vergeblichkeit, Vergänglichkeit und Tod kreisen. In erster Linie aber zeigten sie den „Schelm der Nation“, der nicht zuletzt auch einen subtilen schwarzen Humor besaß. Ein unterhaltsamer Abend.

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