Kaiserslautern Rundgang über das Pfaff-Gelände

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Zu dem Rundgang hatte die RHEINPFALZ zusammen mit der Pfaff-Entwicklungsgesellschaft eingeladen. Deren Geschäftsführer Stefan Kremer und Martin Kannengießer waren mit von der Partie, Kremer versorgte die rund 30 Teilnehmer mit vielen Informationen. Etwa, dass die Grundwassersanierung rund 30 Jahre dauern wird und man 15 Jahre einrechnen müsse, bis das gesamte Gelände für die Vermarktung hergerichtet ist. Und dass die Steine, aus denen die Gebäude und Hallen errichtet wurden, wieder Verwendung finden: Als Recyclingmaterial, mit dem das Gelände eingeebnet wird. Denn das hat, so Kremer, ein ordentliches Gefälle: An der Königstraße liege das Areal sechs Meter tiefer als an der Steinbruchkante der Herzog-von-Weimar-Straße. Beim Rundgang über das Gelände wurde schnell deutlich, wie unglaublich vergammelt und marode viele Gebäude sind. Deutlich wurde aber auch, dass wahre architektonische Kleinode vorhanden sind, die meisten davon jedoch in ähnlich erbärmlichem Zustand wie das Gros der heruntergekommenen Hallen. Das Verwaltungsgebäude am Eingang beispielsweise sei nicht zu erhalten, hier habe ein Brand gewütet, erklärte Kremer. Die Stadtwerke hätten eine Option für das Grundstück, überlegten, hier eine neue Konzernzentrale zu errichten. Nicht zu erhalten – leider – ist auch die frühere Kantine. 6000 Essen gingen hier mal täglich über den Tresen, informierte Kremer. Die riesige Halle mit schönen gewölbten Deckenpfeilern ist eine Augenweide. „Menü 2“ steht noch auf einem Schild. Die Decke bröckelt ab, die Glasscheiben sind eingeschlagen, Bäume wachsen durch die Fenster. Gegenüber ist ein große Halle. Sie ist noch nicht mal drei Meter hoch, überall liegen Heizungsrohre. Nicht vorstellbar, das in so einem Schuppen noch bis vor einigen Jahren gearbeitet wurde. Und die Heizung bei Pfaff war etwas ganz Spezielles. Ein Ringsystem. „Sie heizte alle Gebäude oder gar keines“, führte Kremer aus. Als ein Teil der Produktion stillgelegt wurde, seien die leeren Hallen zwangsläufig mitgeheizt worden, was sich auf die Produktionskosten auswirkte. Ähnlich ist es beim Strom. Bis heute sei nicht klar, wie Leitungen verlaufen. Als 2009 vermeintlich alles abgeschaltet wurde, seien dennoch monatliche Stromkosten von 13.000 Euro angefallen, weil vieles noch am Netz war. Weiter geht es in Gebäude 20. Hier könnte man einen Film über die industrielle Produktion um 1900 drehen. Oder einen Horrorfilm. Eintauchen in eine andere Welt. Gebäude 20 ist alt und vergammelt. „Hier war mal die Kistenmacherei“, erzählt ein früherer Pfaffianer. Das Unternehmen baute die Verpackungen für seine Nähmaschinen selbst. In der Halle gegenüber fällt die alte Stechuhr ins Auge. Ein Teilnehmer am Rundgang demonstriert, wie sie funktionierte. „ Wer die Karte eigenmächtig ändert oder für einen anderen stempelt, begeht Urkundenfälschung. Irrtümer und Fehler beim Stempeln sind sofort dem Meister zu melden“, steht auf einem Schild. Es geht weiter. Was der Zahn der Zeit nicht geschafft hat, haben Vandalen schnell erledigt. Kupferkabel in großen Mengen geklaut, Feuerlöscher aus der Wand gerissen und Scheiben eingeschlagen. Ein paar Teilnehmer wollen in die alte Schmiede. „Nein“, schreit Kremer. Hier dürfe keiner rein, das Gebäude sei extrem baufällig. Im Gegensatz zur LKW-Waage, die Instand gesetzt wurde. Hier werde bei der Sanierung genau gewogen, was auf die Lastwagen kommt, sagt Kremer. 200.000 LKW-Fahrten seien notwendig, bis alles weg ist. Die alte Tankstelle steht noch. Hier ist der Boden am stärksten belastet, sind Schadstoffe im Erdreich versickert. Bei den alten Pfaffianern werden immer mehr alte Erinnerungen wach, aber auch Zorn kommt hoch. „Welche Fehler hat die Stadt in früheren Zeiten gemacht, dass sich ein Unternehmen so aus der Verantwortung stehlen kann und die öffentliche Hand für die Sanierung aufkommen muss“? fragt ein Mann. Je weiter es Richtung Herzog-von-Weimar-Straße geht, umso trister wird der Anblick. Hier sind die ganz alten Werkshallen, verfallen, marode. Alte Gleise liegen teilweise noch, der Eingang zum Bunker im Steinbruch wurde wieder entdeckt. Doch die Tristesse wird bereits durchbrochen. Im wahrsten Sinn des Wortes. Zwischen Gleisen wächst Gestrüpp, aus blinden Fenstern ragen Bäumchen, es blüht und duftet. Die Natur erobert zurück, was einmal ihr gehörte – bis irgendwann mal die Abrissbirne anrückt und das Grün wieder eingedämmt wird. (dür)

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