Kaiserslautern Retro-Schick in der Karajan-Oper

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Die Salzburger Osterfestspiele feiern in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag. Klar, dass man dabei auch an den Begründer dieses wohl elitärsten (und deshalb auch für die Zuschauer teuersten) Klassikfestivals der Welt erinnert: Herbert von Karajan. Dessen „Walküre“ aus dem Jahr 1967 hat man jetzt quasi reanimiert. Offiziell wurde die neue Regie von Vera Nemirova in den nachgebauten Bühnenbildern von Günther Schneider-Siemssen als „Re-Kreation“ bezeichnet. Ein trefflich gestelzter Begriff für ein irgendwie merkwürdiges Projekt.

Größenwahn gehört sicherlich zu den Eigenschaften, die man sich bei Herbert von Karajan richtig gut vorstellen kann. Der Diktator am Pult. Ein Messias der Schönklang-Bewegung. Und ein stets braun gebrannter Star der Klassik-Schickeria. Genau für diese gründete Karajan 1967 auch seine eigenen Festspiele, als Privatunternehmen ohne staatliche Zuschüsse. Mit ihm als Alleinherrscher. Karajan war Intendant, Regisseur, Betriebsdirektor und natürlich Dirigent. Das hatte vor ihm zuletzt Richard Wagner in Bayreuth versucht. Und mit dessen Festspielunternehmen verglich Karajan sein Osterfestival denn auch. Wie gesagt, Größenwahn ... Der Geist des Überdirigenten schwebt seitdem zu Ostern noch immer über Salzburgs Gassen. Erst Recht, seit Christian Thielemann – ein großer Karajan-Bewunderer – dort am Pult der Sächsischen Staatskapelle das Sagen hat. Das Dresdner Orchester und sein Maestro sprangen ja vor fünf Jahren ein, als sich das Gründungsorchester, die Berliner Philharmoniker und ihr Chef Simon Rattle, schnöde von Salzburg abwandten und seitdem bei den Osterfestspielen in Baden-Baden agieren. Ob der Geist Karajan auch in dieser exhumierten „Walküre“ spürbar ist, muss allerdings bezweifelt werden. Es gibt kein Regiebuch, keinen Filmmitschnitt, nur Fotos. Die haben Jens Kilian dabei geholfen, das Originalbühnenbild von Günther Schneider-Siemssen zu rekonstruieren. Dessen Bühne zeigt im ersten Aufzug eine riesige Esche, im zweiten und dritten einen mal geschlossenen, mal aufgebrochenen Ring. So wird aus Walhall eine Art Kommandobrücke im Raumschiff Orion, auf der Wotan wie weiland Dietmar Schönherr regiert. Hier entwirft er seinen Weltenrettungsplan, der ja vor allem seine eigene Macht sichern soll – und der am Ende grandios scheitern wird. Die Regie von Vera Nemirova, die im ersten Aufzug Siegfried auch mal eine Zigarette drehen lässt, ist dort am überzeugendsten, wo sie auf solche aufgesetzt und in dem Bühnenbild befremdlich wirkenden Mätzchen verzichtet, und uns tief in die Seele der Figuren schauen lässt. Ein übergroßes Auge ist zum Beginn des Vorspiels und dann auch später immer wieder auf dem Vorhang zu sehen. Es ist das Eintrittstor nicht nur für Siegfried, der die Bühne über den Zuschauerraum betritt, sondern auch für das Publikum. Wir werden zu Zuschauern des Mythos` - und sehen doch Menschen wie Du und Ich. Eine zutiefst traumatisierte und offenbar misshandelte Sieglinde etwa, der Hunding brutal zwischen die Beine greift. Oder auch einen am Ende völlig gebrochenen Wotan, der den Trost seiner Tochter Brünnhilde bitter nötig hat. Diese Abschiedsszene gestaltet Christian Thielemann als Fest für jeden Wagnerianer. Mit großer Emphase und ihrem typisch warmen, satten Klang zelebriert die Sächsische Staatskapelle diesen Moment, der zu den schönsten Stellen im ganzen „Ring“ gehört. Vitalij Kowaljow, der ansonsten einen beeindruckenden Wotan singt, kommt hier wie in seinem Monolog im zweiten Aufzug an seine Grenzen. Insgesamt aber begeistert das Sängerensemble, allen voran Anja Kampe als Brünnhilde, Anja Harteros als Sieglinde und Georg Zeppenfeld in der Rolle des Hunding. Und dass Peter Seiffert als Siegmund immer noch über eine der schönsten Wagner-Stimmen unserer Zeit verfügt, überrascht eigentlich auch nicht.

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