Kaiserslautern Porträt: James Sutherland, Choreographer in Residence am Pfalztheater

Er ist sozusagen wieder auf Freiersfüßen, schaut sich nach 13-jährigem Festengagement als Ballettdirektor um. Oder wird gesehen. Wie von Urs Häberli, dem Pfalztheater-Intendanten, der die frei gewordene Chefchoreographenstelle am Haus mit Choreographer in Residence zu besetzen hatte. Und wie Netzwerkfäden es so an sich haben, landete Häberli von Tipp zu Tipp bei James Sutherland in Pforzheim. Das Resultat ist bekannt: Dieser verantwortet mit „Romeo und Julia“ die erste Ballettproduktion der Spielzeit 2015/2016.

Seit September weilt der gebürtige Schotte – mittlerweile längst Weltbürger als ausgebildeter Tänzer, Choreograph und Regisseur – in unserer beschaulich-umwaldeten Pfalzmetropole. Zum Kennenlernen blieb kaum Zeit, doch so manch „schönes Plätzchen ist mir aufgefallen“. Wen wundert’s. Haben doch gegenseitiges Kennenlernen und Einstudieren einer Choreographie Priorität, die für die Lauterer Compagnie ungewohnt gewesen sein mag. Experten sprechen bei seinem Tanzstil bereits von einer „Sutherland-Handschrift.“ Diese sei, so der Urheber, schwer zu erklären, praktisch umso deutlicher zu sehen, je weniger vorgedacht wird. Seine Sicht orientiert sich dabei an Passagen individuellen Bewegens des Einzelnen neben Phasen komponierter Choreographie mit Anweisung. Sichtbar machen dies etwa die Wechsel von harmonischen Bewegungslinien hin zu eigeninitiativem Tanzvokabular der betreffenden Rollen. Die Idee, den Bühnen-Liebesklassiker „Romeo und Julia“ ins Programm dieser Spielzeit zu nehmen, ist dem Motto „Liebe. Versuch Liebe.“ geschuldet und nun gut aufgehoben beim Choreographer in Residence, der diesen Stoff bereits mehrmals tanzte und bereits einmal choreographierte. Allerdings: „Ein neues Haus, eine neue Truppe und ich fange wieder von ganz vorne an.“ Nicht zu verkennen voll ungebrochener Faszination. Gründe dafür sieht Sutherland gleich mehrfach: etwa der zeitliche Ablauf. Ganze vier Tage währt das Drama vom Ineinanderverlieben bis zum Miteinandersterben. Entscheidend ist das Dazwischen, die Geschehnisse zwischen den Menschen dieser verfeindeten Familien. Monumentale Emotionen gilt es in purem Bewegen auszudrücken, sie zu erspüren und tanzend wiederzugeben. Fasziniert ist der Meister zudem von der Rolle der Julia: diese Kraft, diese Eigenständigkeit, sich gegen Konvention für die Liebe zu entscheiden. „Shakespeares Botschaft ist unglaublich. Er berührt mit tiefster Menschlichkeit und erfindet dafür eine der ersten Feministinnen.“ Übrigens eine Kernaussage dieser Geschichte: „Liebe überwindet alles.“ Für derartig Sensibles greift Sutherland auf Kriterien unbewusster Körpersprache zurück und bettet sie ein in Bewegungsabläufe, die er „auf einen Raum konzentriert“. Dieser Raum, den eine gläserne Wand halbiert, lebt von Licht und Schatten und von Leeren, aus denen heraus alles erwachsen kann. „Es geht darum, sich zur einzigen (Er-)Lösung überhaupt hinzubewegen, zur Liebe.“ Und so sieht er den Ausgangspunkt, das Stück zu verstehen, in der Innerlichkeit der Personen. Dies zu zeigen ist ihm wichtig, wenngleich mit Irritationen, Gegensätzen und Harmonien. Denn sie ist und bleibt die universell gültige Geschichte, die zu erzählen als Handlungsballett sein muss. „Ich brauche hier den kommunikativen Weg, nicht den klassischen, der doch nichts als Schrittfolgen ist.“ Überhaupt – Menschen verständigten sich tanzend, bevor sie Sprache kannten. Sutherland: „Es ist ein starkes, ja hartes Stück. Und wenn jemand im Saal anfängt zu weinen ohne zu wissen warum, wäre das mein Magic-Moment inmitten einer schwierig zu spielenden, jedoch wunderbaren Musikwelt.“ (igs/Foto: Pfalztheater)

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