Kaiserslautern Perfektes Zusammenspiel voller Treffer im Endspiel

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Die Wise Guys sind Deutschlands Vokal-Pop-Band Nummer eins und zählen zu den erfolgreichsten Live-Acts im deutschsprachigen Raum. Auf der Abschiedstour gastierte das A-cappella-Quintett am Donnerstagabend in der ausverkauften Fruchthalle und brachte die Grundfeste des altehrwürdigen Kulturzentrums mit dem Besten aus 25 Jahren und 14 Alben zum Beben.

Was hat Tenor Nils Olfert von den Wise Guys mit Toni Kroos von Real Madrid gemeinsam? Ähnlich wie der Nationalspieler einen Pass genau in die Schnittstelle der gegnerischen Abwehr vorlegt, so dass Ronaldo nur noch den Fuß hinhalten muss, um den Ball zu versenken, so findet der Tenor mit samtener Kehle genau die Schnittstelle des Quintetts, um dort hinein zu singen. Mit wunderschöner seidener Stimme. Olfert ist aber nicht der einzige Stimmen-Akrobat dieser „Schlaumeier“, wie die Wise Guys übersetzt heißen. Mit geschlossenen Augen meinte man, eine Band musiziere da auf der Bühne, aber Pustekuchen: Alles, was die fünf produzierten, geschah ausschließlich mit Lippen, Gaumen, Zunge und Kehle. Mit instrumentaler Stimmführung und außergewöhnlicher Improvisationsgabe präsentierten sie ihre Songs. Ihre Interaktion auf verschiedenen rhythmischen Ebenen war bestechend. Dabei integrierten sie stark das Call-and-Response-Prinzip wie auch perkussive Momente in ihre technisch fast vollendete Ensemble-Arbeit und zeigten sich bei der Nachahmung unterschiedlichster Instrumente als Meister nahtloser vokaler Schattierung. Das rhythmische Zischen von Hi-Hat-Pattern, Gitarrenriffs, wie „geblasen“ wirkende Klänge – all dies wurde bereichert durch ein Panorama von umwerfenden Sounds. Tore wie Ronaldo konnten sie damit zwar nicht schießen, aber Beifall ernteten sie nach jedem Song, als habe die deutsche Nationalelf das WM-Endspiel erreicht. Die einfallsreich aufgefächerten Harmonien, deren stark betonte Basspartie an den Rhythm’n’Blues-Gesang erinnerte, das Wechselspiel zwischen den kraftvollen Stimmen von Daniel „Dän“ Dickopf, Edzard „Eddi“ Hüneke und Marc „Sari“ Sahr, der zum Falsett tendierenden Tenor-Stimme von Nils Olfert und dem abgrundtiefen Bass von Björn Sterzenbach (seit 2016 dabei) gipfelten in einer faszinierenden Klang-Konstruktion. So war das Stimmungsbarometer vom ersten Song an auf dem Höhepunkt. Die Zuhörer sangen viele Lieder mit, begleiteten den Rhythmus mit heftigem Klatschen, und viele hielt es bei den Songs nicht mehr auf den Stühlen. So kamen die Guys nach „Showtime“ und „Mädchen“ mit „Ruf doch mal an“ aus dem Jahr 1997 schon zu ihrem ersten sportlichen Höhepunkt. Ausgelassen hüpften sie auf der Bühne, was die Besucher natürlich zum Mitmachen animierte. Als ausgebuffte Profis verstanden die Kölner natürlich auch die Balance zwischen Harmonie und Angriff; Schatten und Licht brachten nach dem stürmischen Beginn mit der „Trennungs-Ballade“ „Wie kann es sein“ und mit „Engel“ zwei Stücke mit zerschmelzendem Harmoniegesang. Direkt auf den Leib geschrieben war dem Kleinsten der Truppe, dem Bassisten Björn Sterzenbach – roter Anzug, rote Socken –, das Lied. Hoch her ging es gleich zu Beginn des zweiten Sets: Nils Olfert und „Sari“ Sahr rappten zu „Hamlet“ und „Nur die Liebe“ (1996) wie die Teufel und brachten den Saal vollends zum Kochen. In rhythmischer Bewegung waren die Fünf in „Schiller“, während sie Auszüge aus der „Bürgschaft“ zitierten und jeder Tonwechsel, auch der schnellste, absolut synchron erfolgte. Wie aus einem Guss sangen sie auch den Bläck-Föß-Song „Komm, lass uns Rollbrett fahre“ in Kölscher Mundart (1992), und durch zusätzliche Spezialeffekte entwickelte sich der Song „Ich kann nur den Refrain“ zum Schwebesound. Zum Totlachen war die Parodie auf „Die Deutsche Bahn“, und Wehmut stand in manchen Augen, als das Ensemble sich mit „Wir werden euch vermissen“ verabschiedete. So schnell kamen die Wise Guys allerdings nicht von der Bühne. Frenetischer Beifall forderten drei Zugaben heraus. Und selbst nach drei Stunden (mit Pause) ging’s im Foyer mit der Afterglow-Party weiter. Das war in der Tat ein „Antidepressivum“.

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