Kaiserslautern „Nicht zu spielen, können wir uns nicht leisten“

Bundesweit boykottieren rund 200 Kinos mit über 600 Sälen in Städten unter 50.000 Einwohnern den Actionfilm „The Avengers – Age of Ultron“. Der Verleih Disney verlangt von Kinos in Kleinstädten pro verkaufter Karte einen Euro mehr, was etwa elf Prozent entspricht. Während im Saarland alle betroffenen Städte bis auf Merzig sich weigern, den Film zu spielen, ist es in der Pfalz umgekehrt: Dort spielen ihn fast alle, nur Kusel, Annweiler und eines der beiden Landauer Kinos nicht.

„Den Film nicht zu spielen, können wir uns nicht leisten“, ist der Satz, den man am häufigsten von den Pfälzer Kinobetreibern hört. Bisher zahlten Kinos in Städten unter 50.000 Einwohnern bei Disney 47,7 Prozent des Kinokartenpreises als Verleihmiete. Ab heute müssen sie 53 Prozent zahlen, so viel wie die Kinos in Großstädten. Das Kinett in Kusel verzichtet. Kinobetreiber Michael Pirrung erklärt das auf der Webseite und im Kino so: „Die Gründe für diese Entscheidung – die uns sehr schwer gefallen ist – liegen in den geänderten Bezugsbedingungen für diesen Film: Der Rechteinhaber, die Walt Disney Studios Motion Pictures Germany, hat letzte Woche unerwartet und ohne vorherige Absprache deutschlandweit einseitig alle bestehenden Verträge aufgekündigt und neue, sehr viel schlechtere Bedingungen aufgestellt, die für uns nicht akzeptabel sind. Die letztendliche Konsequenz aus diesen neuen Bedingungen wären deutlich erhöhte Eintrittspreise für Sie, die allerdings nicht uns, sondern ausschließlich dem Filmverleih zu Gute kommen. Das halten wir für absolut ungerechtfertigt, und wir können und wollen das nicht ohne Weiteres hinnehmen. So ist der Verzicht auf den Film die einzige Möglichkeit für uns, dem Filmverleih zu zeigen, dass wir mit den geänderten Bedingungen nicht einverstanden sind. Mit dieser Entscheidung kämpfen wir vor allem auch für Sie, für unsere Gäste, um weiterhin faire und bezahlbare Eintrittspreise anbieten zu können.“ Das macht auch das Universum in Landau, „aus Prinzip“, sagt Kinobetreiber Lars Pfeifer. „Es ist schade, dass das andere Kino in Landau, die Filmwelt, die den Film ursprünglich nicht zeigen wollte, es nun doch tut. Am besten wäre es jedoch gewesen, wenn alle deutschen Kinos in den Kleinstädten verzichtet hätten, das wäre ein klares Statement gewesen und hätte bei Disney in den USA für Aufsehen gesorgt. “ Dass es in der Branche keine Solidarität gibt, beklagt Ernst Pletsch vom Broadway in Landstuhl, betont aber: „Ich kann es mir nicht leisten, nicht zu spielen.“ Die meisten Kinos – gerade in Kleinstädten – haben Schulden. In den vergangenen Jahren haben sie mehrere hunderttausend Euro in Digitalprojektoren, 3D und Umbauten investiert, die noch nicht abbezahlt sind. Und: „Die Eintrittspreise sind ausgereizt“, sagt Christian Kaltenegger, der das Lux in Frankenthal betreibt. Theodor Sieber vom Pirmasenser Walhalla hat sich entschlossen, den Film zu spielen und den Eintrittspreis nur für diesen Film um einen Euro zu erhöhen. Was aber bedeutet, dass auch Disney mehr Geld bekommt. Die Zuschauer werden mit einem Anschlag im Kino darauf hingewiesen. Eine Beispielrechnung: Angenommen, die Kinokarte kostet zehn Euro, dann müssen davon statt 4,77 nun 5,30 Euro (elf Prozent mehr) an den Verleih gezahlt werden. In Wahrheit sind es jedoch noch mehr, da „Avengers“ über zwei Stunden dauert (Überlängenzuschlag 50 Cent bis ein Euro) und ein 3D-Film ist (3D-Zuschlag bis zu 3,50 Euro inklusive 3D-Brille). „Statt für 12,50 Euro müsste ich die Kinokarte für 15 Euro verkaufen, um genauso viel Gewinn zu machen wie bisher“, erklärt Andreas Simon, der im Saarland die Kinos in Homburg und Neunkirchen betreibt. Er boykottiert den Film. Wieder anders ist die Situation in Annweiler. Kinobetreiber Klaus Fischer übernahm das Kino vor zwei Jahren. „Disney beliefert mich nicht, die wollen Vorkasse, 3000 Euro pro Film, denn sie haben Angst, dass ich nicht bezahle“. Andere Verleihe wollten das am Anfang auch, aber inzwischen zahlt Fischer dort ganz normal seine Prozente aus dem Kartenverkauf. Auch er bekam das Einschreiben mit der Preiserhöhung, das noch eine weitere Klausel enthält. Mindestens 21 Tage muss ein Kino „Avengers“ zu diesem Verleihpreis spielen, sind danach im Bundesdurchschnitt (den die Großstädte bestimmen) die Besucherzahlen immer noch hoch, muss der Film weitere sieben Tage gezeigt werden, auch wenn in der zweiten Woche im Kleinstadtkino ihn nur fünf Leute sehen wollten, erklärt Fischer. Der Programmplatz ist besetzt, das Kleinstadt-Kino darf „Avengers“ nicht rauswerfen und einen neuen, vielleicht lukrativeren Film einsetzen. „Wenn ich den Film nicht spiele, würden die guten Kunden die Welt nicht mehr verstehen“, spricht Annette Schwarz, die Besitzerin des Zweibrücker Cinema Europa, die Tatsache an, dass sie die Besucher nicht mit den Problemen der Kinobetreiber belasten will, obwohl sie feststellt: „,Avengers’ ist der teuerste Film, den ich je akzeptieren musste.“ Es soll nicht der einzige bleiben, denn Disney verlangt diese Konditionen ab sofort für alle seine Filme. Nächste Woche startet der Kinderfilm „Tinkerbell“, zu Jahresende der neue „Star Wars“. Die große Befürchtung der Kinobetreiber ist, dass die anderen Verleiher nachziehen. „Dann wird es für 30 bis 40 Prozent der deutschen Kinos existenzbedrohend“, schätzt Kaltenegger. Sowohl einzelne Kinos wie die Verbände HDF (Hauptverband der Filmtheater) und AG Kino-Gilde protestierten bei Disney – ohne Erfolg. Doch auch in den USA, wo Disney zum „Avengers“-Start die Preise erhöhte, regt sich laut Branchenblatt „Blickpunkt Film“ der Widerstand. Disney Deutschland, so Sprecherin Petra Strobl, will sich zu den Geschäftsbedingungen nicht öffentlich äußern.

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