Kaiserslautern Nicht von dieser Welt

Mit einem absoluten Ausnahmewerk des sinfonischen Repertoires begann die neue SWR-Saison im Mannheimer Rosengarten: Am Sonntag dirigierte die israelische Dirigentenlegende Eliahu Inbal am Pult des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart Anton Bruckners achte Sinfonie.

Mit dem Begriff Gipfelwerk ist man ja mitunter sehr schnell bei der Hand. Das vermeintlich Außergewöhnliche hat ständig Konjunktur, weil es nachgerade inflationär bemüht wird. Bei Bruckners c-Moll-Sinfonie aus dem Jahr 1887 (diese Urfassung des Werks stand in Mannheim auf dem Programm) müssen uns solche Sorgen nicht umtreiben. Diese gewaltige Sinfonie ist ein Solitär im Werk eines Komponisten, von dem manche mit Recht behaupten, er hätte ohnehin nur Einzigartiges, weil schlichtweg Unerklärliches, zumindest aber Nicht-Herleitbares erschaffen. Bruckner also, der große Einzelgänger. In den Händen von Eliahu Inbal wird er fast zu einem alten Bekannten. Wir kennen das doch alles, diese groß angelegten Steigerungslinien in den beiden Ecksätzen, die in maßlosen Ausbrüchen voller Emphase und Pathos gipfeln, dass es einen fast schon von den Stühlen des Mozartsaals fegt. Diese mitreißende, ja sprichwörtlich fortreißende Energie des Scherzos, das Inbal unerbittlich nach vorne peitscht: immer weiter, immer mehr, immer fordernder: schlichtweg unwiderstehlich. Und natürlich die ebenso wunderschönen wie todtraurigen Kantilenen des langsamen dritten Satzes, die bis zur bitter-süßen Neige ausgekostet werden. Doch so nahe wir Bruckner auch kommen, so fremd wird er uns ganz unvermittelt. Inbals tiefes Brucknerverständnis lässt sich von den Überwältigungsstrategien dieser Musik nicht überrumpeln. Er treibt das Orchester eben nicht nur zu enthusiastischem Spiel an, gemeinsam mit den Musikern blickt er auch in das Kompositionslabor Bruckners. Ungemein spannend geraten so vor allem die Übergänge zwischen den großorchestralen Ausbrüchen. Der Erkenntnisgewinn ist irgendwie aber auch ernüchternd: Für unsereinen ist die Luft hier definitiv zu dünn. Diese Musik ist nicht mehr von dieser Welt.

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