Kaiserslautern Nicht nett, aber genial

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„Ich bin ein Einzelgänger, ein Außenseiter, aber nicht, weil ich das gern sein möchte. Ich muss das sein, wenn ich mich nicht in den Schwachsinn der Musik-Industrie einpassen will“, sagt Van Morrison, der seit über 50 Jahren das Image des unnahbaren, launischen Stars im an Exzentrikern nicht armen Musikgeschäft pflegt. Heute wird der irische Bluessänger 70.

Erinnerung als Selbsterkundung – das ist Van Morrisons Thema seit den frühen Karrieretagen. In der Trauer um die verlorenen Glückseligkeiten der Jugend zielt er in seinen Liedern immer wieder auf die Wiederherstellung jener verlorenen Momente ab, in denen er das Glück des Echten, Wahren und Authentischen in der Musik von John Lee Hooker, Jackie Wilson oder Big Bill Broonzy erfahren hat – Musik als tongewordenes Sehnen. Interpretationen überlässt er jedoch dem Publikum. „Was ich zu sagen habe, kann man auf meinen Platten oder in meinen Konzerten hören.“ Als 15-Jähriger gründete der Rhythm’n’Blues-Sänger seine erste Band The Monarchs, mit der er in London und später in Deutschland sein Glück versuchte, wo sie allabendlich in den Rotlichtvierteln von Hamburg und anderen Städten spielten. Mit bescheidenem Erfolg. Besser wurde das während seiner zweijährigen Zeit bei Them. Doch trotz Hits wie „Gloria“, „Mystic Eyes“ oder „Baby Please Don’t Go“ verließ Morrison die Band. Zu eigensinnig, zu genial versponnen war der in Belfast geborene Sänger, um sich auf Dauer einer Gruppendisziplin unterordnen zu können. Und tatsächlich kann Morrison erst als Solist seine einzigartige Fähigkeit ausleben, Stile wie Blues, Country, Gospel, Soul und Jazz organisch zu verbinden. Seinen tiefgründigen Texten verleiht er durch die eindringliche, fast regungslose Diktion des Gesangsvortrags eine besondere, einzigartige Intensität. Schon auf dem ersten Solo-Album hat Morrison mit „Brown Eyed Girl“ einen Hit, dem allerdings bis heute nur recht wenige folgten. Dennoch hat er, der sich den Mechanismen der Musikindustrie und dem Schielen auf Verkaufszahlen verweigert, eine stetige und ungebrochene Karriere gemacht. „Einen Hit hätte ich aber schon gerne“, räumt er ein. „Denn durch einen Hit erreichst du im Konzert das Publikum viel schneller“ – und auf der Bühne zu stehen, ist nun mal Van Morrisons Leidenschaft, auch wenn er dabei zuweilen Kollegen wie Zuhörer durch ein Wechselbad der Gefühle schickt. So hat er in einem Konzert mit den Chieftains deren Sänger verboten, ans Mikrofon zu gehen und ist selbst wütend von der Bühne gestürmt. Es gibt viele solcher Anekdoten. 1976 zum Beispiel lud er den Gitarristen Rory Gallagher zu gemeinsamen Aufnahmen ins Studio ein. Gallagher sagte deshalb sogar ein Konzert ab. Morrison aber verschwand nach kurzer Zeit und flog in die USA. Gallagher glaubte, er sei nur zum Essen und wartete vergebens bis zum frühen Morgen. Oder: Knapp bei Kasse lieh sich Morrison zu Beginn seiner Solo-Karriere eine teure Gitarre für ein Konzert aus. Schlecht gelaunt zertrümmerte er sie nach dem letzten Song auf dem Bühnenboden – Begründung: „Das ist Kunst“. „Ich habe ja nie gesagt, dass ich ein netter Kerl bin“, sagt er heute fast entschuldigend.

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