Kaiserslautern Nachdenken über die Magie von Bildern

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Kann eine Monet-Ausstellung eigentlich noch etwas Besonderes sein? Eine Frage, die nur stellen kann, wer noch nie die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel besucht hat. Die feiert in Renzo Pianos Museumsbau in diesem Jahr ihren 20. Geburtstag, hat gute Gründe, dies ausgerechnet mit Monet zu tun und lenkt wie schon so oft den Blick weit unter die schöne Oberfläche. Wir kennen den Maler Claude Monet (1840-1926) noch lange nicht so gut, um nicht immer wieder Neues zu erfahren.

Klar, dass sich in der Sammlung eines Kunstpassionierten wie es der 2010 verstorbene Ernst Beyeler war, auch Gemälde von Claude Monet befinden: ausgestellt sind eines aus der Serie der Ansichten der Kathedrale von Rouen sowie Seerosenbilder aus dem Spätwerk. Auch das nicht verwunderlich für einen Mann, dessen Herz für die Moderne schlug. Wenn man den letzten Saal der aktuellen Ausstellung im von ihm gegründeten Museum verlässt, fällt der Blick vom großen Pano-rama des „Bassin aux Nymphéas“ direkt auf ein Gemälde des abstrakten Expressionisten Mark Rothko (1903-1970) in der Dauerpräsentation. Worte sind in diesem Moment nicht nötig, um Monet als einen der Vorväter der Moderne zu erkennen, weit entfernt vom Impressionismus, als dessen Hauptvertreter er gilt. Eine zu eindimensionale Betrachtung, sagt Kurator Ulf Küster und braucht für den Nachweis dieser These keine Retrospektive, beginnend mit den Gemälden des Frühwerks der 1850er Jahre und endend mit eben jenen den Weg in die Abstraktion weisenden Seerosenbildern aus den letzten Lebensjahren des Künstlers während und nach dem Ersten Weltkrieg. Die Monet-Ausstellung der Fondation Beyeler beschränkt sich auf 60 Bilder aus dem Zeitraum zwischen 1879/80 und 1905/06, zwischen der bereits von neueren Strömungen eingeholten impressionistischen Bewegung und den ersten Seerosenbildern, die Jahre, die er – ab 1883 – in seinem Haus in Giverny verbrachte, Jahre auch des Neuanfangs nach einer schweren Zeit: 1879 war seine erste Frau Camille gestorben, fortan lebte er mit Alice Hoschedé, Mutter von sechs Kindern und Frau seines Freundes und Händlers Ernst Hoschedé zusammen, Jahre auch der Loslösung von der „reinen Lehre“ des Impressionismus. Leihgaben aus aller Welt sind nun in Riehen versammelt; aus den großen Kunstmuseen in Paris, New York, Chicago, Madrid, Amsterdam, Zürich ebenso wie aus weniger bekannten Institutionen wie den Harvard Art Museums in Cambridge oder dem Mead Art Museum in Amherst, beides Massachusetts/USA; aber auch Gemälde aus Privatsammlungen, die bisher kaum oder noch nie in der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Allein dies garantiert den versprochenen „frischen Blick“ auf einen scheinbar so Bekannten. Ja gewiss, sie sind auch ein Fest fürs Auge, ihrer Magie kann man sich schwerlich entziehen. Diese Ausstellung aber will mehr, sie will die Besucher zum Nachdenken, zum Reflektieren über Monet anregen, über „Licht, Schatten und Reflexion“, letztere auch im anderen Sinne, in dessen Malerei. Wer sich darauf einlässt, bekommt tatsächlich den „ganzen Monet“, denn seine Motive ähneln sich oder bleiben die gleichen: Sich scheinbar ins unendliche fortsetzende Pappelreihen etwa waren bereits auf dem ersten bekannten Gemälde des jungen Monet zu sehen. Nicht chronologisch, sondern nach Themen ist die Ausstellung angeordnet, eine Reise durch Monets Bilderwelten, die zu der Erkenntnis führt, dass es hier nicht um die Bilder, um das Abgebildete, sondern um die Malerei an sich geht, um Licht, Schatten und die Auflösung der Realität in ihrem Spiegelbild. Kurz: um den Weg in die Moderne. Auch die von seinem Stiefsohn Jean Hoschedé überlieferte Äußerung, wonach ihn weniger das Motiv als das interessiere, was zwischen ihm und dem Bild passiere, weist in diese Richtung. Zu sehen sind: Bäume – auch als Hommage an Ernst Beyeler, der vor 20 Jahren eine ganze Ausstellung der „Magie der Bäume“ widmete – und ihr Schatten, wie auf der „Wiese bei Giverny im Herbst“ (1886); die Seine – „Mein ganzes Leben habe ich sie gemalt, zu jeder Stunde und zu jeder Jahreszeit …“; das Meer und die Küste der Normandie – „Sie kennen meine Leidenschaft für das Meer, ich bin verrückt danach…“, schreibt Monet 1886 an Alice Hoschedé -, aber auch das Mittelmeer, an dessen Küste er eine völlig neue Farbpalette entdeckt; zu sehen sind auch London-Bilder – „Was ich an London am meisten liebe, ist der Nebel“ und natürlich eines der berühmten Getreideschober-Bilder, das Motiv im Gegenlicht, lange Schatten werfend. Wassily Kandinsky, der Pionier der Abstraktion soll den Anblick dieses Bildes, dessen Sujet er zunächst nicht erkennen konnte, als sein künstlerisches Erweckungserlebnis bezeichnet haben. Da sind das (Gegen-)licht und die Schatten – wie in den allein sechs Ansichten der Zollwärter-Hütte an den Klippen von Varengeville, auf denen eine Schlucht mal nur als dunkler Schatten in der Bildmitte zu erahnen ist, auf denen das Gebäude sich für das Auge nur ganz langsam aus einem Farbfeuerwerk herausschält. Da sind die Spiegelwirkungen – wie auf den Bildern von Morgenstimmungen an der Mündung des Flüsschens Epte in die Seine, auf denen das Oben und das Unten miteinander verschwimmen und aus denen ein geheimnisvolles Licht zu strahlen scheint, wie übrigens auch aus dem Portal der Kathedrale von Rouen. Die Welt unter Wasser schimmert auf den Bildern der Seine im Winter, auf der die Eisschollen schwimmen, ebenso durch wie auf dem Gemälde „In der Barke“ (1887), das die drei Töchter Alice Hoschedés zeigt. Alles scheint hinzuführen zu den Seerosen, für die Monet in Giverny eigens einen Teich anlegen ließ. Seine Seerosenbilder sollen im Sammler und Kunsthändler Ernst Beyeler den Wunsch nach einem eigenen Museum geweckt haben. Ohne Monets Seerosenteich hätte es wahrscheinlich auch die Wasserflächen um Renzo Pianos Museumsbau in Riehen nicht gegeben. Gute Gründe, mit einer Monet-Ausstellung dessen 20. Geburtstag zu feiern. Wer nach dieser Ausstellung immer noch meint, Claude Monet sei nur ein Maler schöner Bilder, dem hält Sam Keller, derzeitiger Chef der Fondation Beyeler, auch die Lebensumstände des Künstlers entgegen, und ein Nietzsche-Zitat: „Wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen.“ Nach der Reflexion über Monet also auch noch ein Nachdenken über Nietzsche und über die aktuellen Zeitumstände. Auch Schönheit kann politisch sein. Die Ausstellung „Monet“, bis 28. Mai 2017, täglich 10-18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr; Eintritt 28 CHF, Ermäßigungen, 2017 frei unter 25 Jahren; Katalog (Hatje Cantz) 58 Euro; Kartenvorbestellung empfohlen: www.fondationbeseler.ch

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