Kaiserslautern Musik als Motor für die Zukunft

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Zwei Dutzend saarländische Musiker, Veranstalter, Labelbetreiber, Journalisten, Forscher und Kulturarbeiter haben eine Vision: Das Saarland soll „Popland“ und Pop politische Aufgabe werden. Unter dem Dach eines „Home Of Pop“ könnten alle Aktivitäten gebündelt werden. Die Ziele sind hoch: Das Saarland soll junge Leute anziehen, mit einem Popkulturstudiengang und der Aussicht, sich eine Zukunft aufzubauen, auch um dem demografischen Trend zu Überalterung und Abwanderung zu trotzen.

„Nicht nur Nicole und Lyoner“ als Aushängeschild des Saarlandes wünscht sich Carmelo Lo Porto. Der Künstlermanager, Musikverleger und Labelbetreiber (Antstreet Records), der an der Universität des Saarlandes im bereits bestehenden Studiengang Musikmanagement lehrt, ist einer von bald 24 Mitgliedern des seit zwei Jahren aktiven „Pop-Rates Saarland“ und möchte vor allem die Künstlerförderung ausbauen. Eine klug gebündelte Nachwuchsarbeit, daraus resultierend mehr Arbeitsplätze in der Kreativwirtschaft; ein besseres Image; ein Anziehungspunkt für Musiker aus aller Welt; mit neuen Hallen und bestehenden Festivals ein Live-Erlebnisort erster Güte; dazu die Unterstützung der Politik im Rücken, idealerweise gar durch einen Staatssekretär für Popkultur: Das Konzept ist weitreichend. „Die Idee, Kultur ins Zentrum unserer Gesellschaft zu bringen, steckt hinter allem“, sagt Meinrad Maria Grewenig, Leiter des Welterbes Völklinger Hütte und einer der beiden Köpfe des ehrenamtlich arbeitenden Pop-Rates. Viel Know-how, aber wenig Strukturen und keine Pop-Förderung durch die Politik gebe es bisher, letzteres soll sich ändern. Vernetzung heißt das Stichwort. Gegründet hat sich der Pop-Rat auf Anregung Peter Meyers: Der Radiohead-Fan betrieb den Musikclub Gym, gründete 2000 das Electricity-Festival, war stellvertretender Regierungssprecher und ist heute Kommunikationschef des Saarländischen Rundfunks. „Nicht Kreisliga-B, sondern ein großer Monolith, den man in die Landschaft stellen kann“, nennt der PR-Experte das Konzept, das auf elf Säulen fußt. Das „Home Of Pop“ soll einerseits eine Anlaufstelle für Musikernachwuchs werden, aber auch ein Auftrittsort, eine Denkfabrik und Sprachrohr der Popkultur, zu der neben der Musik hier auch Film, Kunst – insbesondere die schon in Völklingen präsente Urban Art – oder das ebenfalls im Saarland stark aktive Genre Live-Rollenspiel zählen. Zentral in der Planung dieses „Innen - und Außenministeriums für Popkultur im Saarland“ (Meyer) sind ein neuer Studiengang Popkultur, der schon ausgearbeitet vorliegt, sowie die Förderarbeit: Ein Musikzentrum mit Probe- und Projekträumen, Sessionbühne und praxisnahen, unverschulten Workshops als Anlaufstelle auch für Schüler, wünscht sich Kathrin Berger, selbst Musikerin, Fachanwältin für Medienrecht und Vorsitzende des Saarländischen Rockmusiker-Verbands. Profis auf dem Weg nach oben soll ergänzend der „Artist Club“ begleiten, ein einjähriges Förderprogramm in Verbindung mit dem neuen Studiengang, das im Idealfall zu neuen Labelgründungen und Impulsen für die Saarwirtschaft führen soll, sagt Carmelo Lo Porto. Ebenfalls Teil des Konzepts: eine Konzerthalle für 800 Zuschauer und eine modulare Halle nach Vorbild der Luxemburger Rockhal für die ganz großen Konzerte. Zudem im Gespräch: ein neues Popkultur-Festival, ein Ideenwettbewerb, ein Pop-Periodikum, ein Verlag, ein Exportbüro, eine Kreativfabrik, ein Pop-Artwork-Museum und ein Deutsches Pop-Archiv, das Bestände des Saarländischen Rundfunks mit Privatsammlungen bündeln könnte, sagt SR-Redakteur Roland Helm, der mit am Strang zieht und betont: „Das Konzept ist mit ganz viel Herzblut erarbeitet.“ Die Mitglieder des Pop-Rates sind Experten erster Güte, die mit viel Energie an einer gemeinsamen Vision arbeiten – allein schon ein Verdienst in einer Branche, die oft aus Einzelkämpfern besteht. Alle „Pop-Räte“ stehen engagiert hinter dem hoch gesteckten Ziel, zeigte sich bei einem Pressetermin: ob Musiker alter Schule oder junge Macher mit internationalen Kontakten wie Labelbetreiber und Startup-Unternehmer Markus Schneider, der Experte für „positive Schwarm-Mundpropaganda“ im Netz ist. Es wird auch über den Tellerrand geschaut. Veranstalter in Luxemburg, Frankreich und der Westpfalz – das Kulturzentrum Kammgarn – sollen mit ins Boot. Vorbild ist durchaus die Popakademie Mannheim, Absolventen wie Tourmanager Dennis Scherer (Get Well Soon, Mighty Oaks, Melt) sind „Ratsmitglieder“. Mitgefeilt am Konzept hat ebenso Thilo Ziegler, Veranstalter der saarländischen Erfolgsfestivals Rocco Del Schlacko, UrbanArt HipHop Festival und Electromagnetic, das 2012 zum besten neuen Festival Europas gekürt wurde. Auch der bislang einzige saarländische New Music Award-Finalist ist dabei: Markus Trennheuser alias HipHop-Künstler Drehmoment. Allerdings fehlt bislang ein großes Aushängeschild wie es etwa Mark Forster für die Pfalz böte. Und natürlich das nötige Geld: Die Landesregierung hat sicher derzeit dringlichere Baustellen.

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