Kaiserslautern Migranten und Mädchenträume

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Mehr als die Hälfte der 16 Filme, die noch bis Samstagabend um den 38. Saarbrücker Max-Ophüls-Preis für den besten deutschsprachigen Filmnachwuchs konkurrieren, befassen sich mit Migranten oder mit Mädchenträumen. Das mag Zufall sein, kann aber auch an der Auswahljury unter dem Vorsitz der neuen 28-jährigen Berliner Festivalleiterin Svenja Böttger liegen. Die einzige Pfälzer Regisseurin im Wettbewerb, Franziska M. Hoenisch aus Zweibrücken, bedient gleich beide Trends.

Natürlich ist es nicht der amerikanische Austauschstudent, die beiden jungen deutschen Frauen in der Berliner Wohngemeinschaft kümmern sich vor allem um Samuel aus Kamerun. Mit der Aufnahme des Migranten wollen sie etwas Gutes tun, das gehört zu ihrer Lebensphilosophie und zu ihrem Lebenstraum. Sie gehen mit Samuel auf die Ämter und helfen ihm, sich einzugewöhnen. Samuel spricht gut Englisch, lernt schnell Deutsch, ist nett, spült ab, ohne zu murren und will studieren. Als sein Asylantrag abgelehnt wird, legt er Berufung ein, denn er will hierbleiben, im schönen Deutschland, und nicht zurück nach Spanien, wo er in die EU einreiste und schlecht behandelt wurde. Samuel ist kein armer Kriegsflüchtling, sondern ein Wirtschaftsflüchtling. Das ist das eine Thema, das die 1984 in Zweibrücken geborene (allerdings in Bonn aufgewachsene) Regisseurin Franziska M. Hoenisch in „Club Europa“ aufgreift, ihrem Abschlussfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg, den das ZDF als Kleines Fernsehspiel mitfinanzierte. Hoenisch will die Zuschauer zum Nachdenken bringen: Wie stehen sie zu diesen Migranten, die ein besseres Leben wollen? Und wie zu den Frauen in der WG, die dasselbe wollen: ein Leben in materieller Sicherheit. Und die lange diskutieren, ob Samuel in der WG bleiben darf, denn das heißt, dass sie quasi vorbestraft sind, wenn sie ihn illegal hier wohnen lassen. Das Kammerspiel, das fast nur in der Wohnung spielt, ist mehr Theater als Film. Es gibt keine Bilder, welche die große Leinwand brauchen, aber gute Dialoge und Themen, die im Trend liegen. Ein Film, der auf Nummer sicher geht. Wie „Marija“ von Michael Koch aus der Schweiz. Er folgt einer Ukrainerin in Dortmund, die auch aus wirtschaftlichen Gründen kam. Ihr Traum ist der eigene Friseursalon, aber erst einmal jobbt sie in einem Hotel, bis sie wegen Diebstahls rausfliegt, dann als Dolmetscherin für einen Typen, der illegale Arbeiter auf dem Bau beschäftigt und in den sie sich verliebt. Sie tut alles für ihren Traum. Immer wieder wird sie zurückgeworfen, aber sie schafft es. Kein Kammerspiel, sondern ein Drama mit Action, Sex, und Großaufnahmen – immerhin. „Die Migrantigen“ (Filmtitel) des in Wien lebenden Iraners Arman T. Riahi sind zwei junge Männer, die zwar einen Migrationshintergrund haben und ein bisschen fremdländisch aussehen, aber in Wien aufgewachsen und voll integriert sind. Nur mit dem Job klappt es nicht, so dass sie für eine ehrgeizige Fernsehredakteurin, die für eine Doku-Serie Geschichten von Migranten im Problemviertel sucht, die Neuankömmlinge mimen, die sich mit Kleinkriminalität über Wasser halten. Das geht eine Weile gut, und sie lernen auch wahre Migranten kennen. Aber aus der schönen Idee wird nur eine der x-beliebigen Klamotten ohne Tiefgang. Witz und Kinobilder, die man im Kino (der Film hat einen Verleih) nicht braucht. Im Wettbewerb gibt es auch Formalstudien wie „Vanatoare“, in der die Rumänin Alexandra Balteanu drei Prostituierte einen Tag lang verfolgt als sei es ein Film der Dardenne-Brüder, ein nerviges Mädchen-wird-schwanger-Drama („Wann endlich küsst du mich?“) und ein Teenager-Schul-Drama, diesmal mit lesbischem Touch („Siebzehn“) – und gleich zwei Kinderfilme. Die pfiffige Zehnjährige in Joya Thomes „Königin von Niendorf“, schafft es mit List und Lüge, in die Jungenclique aufgenommen zu werden, wo mehr los ist als bei den Mädchen. Der Zwölfjährige in Florian Peters’ „Strassenkaiser“ streift mit einer Zufallsbekanntschaft, einem netten Drogendealer, spontan durch die Stadt. Beide Filme stecken voller Überraschungen, auch bildlichen, sind humorvoll und lassen dem Zuschauer Lücken zum Nachdenken. Aber in den 37 Festivaljahren hat noch nie ein Kinderfilm gewonnen.

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