Kaiserslautern Im Zeichen des O

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Sir Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker lassen bei der Puccini-Oper „Tosca“, die bei den Osterfestspielen im Festspielhaus Baden-Baden zu erleben ist, die Musik nicht selten ganz neu hören. Die Sänger und die Regie von Philipp Himmelmann bewegen sich dagegen in eher gewohnten Bahnen.

Der englische Maestro hatte vor drei Jahren in Baden-Baden mit „Manon Lescaut“ zum ersten Mal eine Oper von Giacomo Puccini dirigiert und den Komponisten für sich entdeckt. Jetzt studierte er am Pult der Berliner Philharmoniker die „Tosca“ ein. Das Ergebnis ist grandios. Rattle liest den Notentext sehr genau und sorgt so für eine Fülle wahrlich bis dato unerhörter Details. Er macht auch deutlich, wie raffiniert und impressionistisch diese Musik ist. Manche Stelle klingt wie Debussy. Aber deshalb fehlt es nicht an Dramatik und Leidenschaft. Diese ist aber nie äußerlicher Effekt, sondern immer Konsequenz einer präzisen Ausarbeitung der Partitur. Statt mit breitem Pinsel gibt Rattle der Musik mit filigran geführtem Stift einen ungewohnten Reichtum an Nuancen. Dass die Berliner Philharmoniker das Ihre tun, Puccini eine fast schon sinfonische Dimension zu geben, versteht sich. Philipp Himmelmann, der Regisseur der Baden-Badener Osterfestspiel-Produktion, hatte vor zehn Jahren eine spektakuläre „Tosca“ in Bregenz auf die Bühne gebracht. Vor zehn Jahren wurde auch in Baden-Baden eine packende „Tosca“ in den Bühnenbildern von Raimund Bauer gezeigt. Leider können beide jetzt nicht an diese früheren Erfolge anknüpfen. Himmelmann beschwört gewiss zu Recht die Relevanz des Stoffes für die Gegenwart, doch seine Verlegung des Dramas in die Jetztzeit nimmt diesem mehr an Wirkung als sie ihm gibt. Scarpia ist hier der Chef eines Geheimdienstes, dessen Zeichen ein leuchtendes O ist und deren Mitglieder wie ihr Boss alle blonde Haare mit Zopf haben und schwarze Anzüge tragen. Natürlich gibt es jede Menge Videoeinblendungen, die aber in dieser Form längst zur Konvention erstarrt sind. Da auch die Personenregie wenig Akzente setzt und der dritte Akt in weiten Teilen nur halbszenisch anmutet, hinterlässt die Inszenierung nur einen begrenzten Eindruck. Der Schluss ist anders als im Textbuch. Tosca wird von Scarpias Schergen umgebracht. Aber es ist eben noch nie einem Regisseur für das Finale etwas Besseres eingefallen als es der originale Sprung von der Engelsburg ist. In der Titelrolle setzt Kristine Opolais ihre durchaus dramatisch akzentuierte jugendliche Stimme mit viel Elan ein. Marcelo Álvarez punktet als Cavaradossi mehr mit seiner Stimmpracht als mit einer gebundenen Melodiebildung. Evgeny Nikitin gibt den Scarpia mit scharf gezeichneter Diktion. Vorzüglich (wie immer im Festspielhaus) sind die kleineren Partien besetzt, zum Beispiel der Messner mit Peter Rose, Angelotti mit Alexander Tsymbalyuk oder Spoletta mit Peter Tantsits. Ganz ausgezeichnet singt der Philharmonia Chor Wien. Für das Regieteam gab es bei der Premiere nicht nur Beifall im voll besetzten Festspielhaus. Termine —Vorstellungen am 14. und 17. April um 18 Uhr, am 17. April wird die Vorstellung ab 20.15 Uhr auf Arte im Fernsehen gezeigt und ist 30 Tage im Netz abrufbar. —Karten: Telefon 07221/3013-101, Internet: www.festspielhaus.de.

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