Kaiserslautern Ho(r)st mi?

Wenn es in der Politik teilweise weltfremd zugeht, empfiehlt sich als Gegenmittel eine ordentliche Portion Leben live. Hier also, aus gegebenem Anlass, eine maßvoll gekürzte Szene, geistig mitgeschnitten in einer physiotherapeutischen Praxis, Montagmorgen im Münchner Einzugsgebiet, Glockenschlag acht Uhr, zentrales Sekretariat: „Naa, Loisl, do kunn da Chef ned. Überhaupts san koa Termine mehra frei. Wart, I muass di späda wieda oarufa. Pfüat di, Loisl!“ Aufgeschrieben kommt Dialekt immer ein bisschen seltsam rüber, aber so ähnlich hört es sich nun mal an zum Beispiel in Oberbayern, also in Süddeutschland, wo das Bekenntnis zur Mundart, auf die Gesamtheit der Bundesrepublik bezogen, traditionell besonders stark ist. Noch vor einigen Wochen wurde hierzulande wieder einmal eine in unregelmäßigen Abständen aufflammende Debatte geführt, ob es nicht doch eine gute Idee sei, wenn Kindergärtner und Grundschullehrer durchgängig „boarisch“ redeten, wie sie das früher auch getan hätten (was übrigens nie ein Argument sein sollte). Regelmäßig scheitert das Ansinnen aber schon daran, dass es so viele Kräfte nicht mehr gibt, denen der Schnabel derart dialektal gewachsen ist. Der Freistaat, in dem ja nun auch Franken, Schwaben und Oberpfälzer leben, gilt als beliebtes Zuzugsland, und es ist, weiß Gott nicht zum Schaden, viel Volk von hier und da und sonstwo in den letzten Jahrzehnten dazugekommen. Mit allen Eigenheiten. Und eigenen Dialekten: Newcastle, Nairobi, Nienstedten – woher Sie wollen. Wer miteinander lebt, muss sich verständigen können, sonst wird das nichts mit dem großen Ganzen, dem nun mal jeder angehört. Dafür gibt es das Hochdeutsche, doch durchgängig „nach der Schrift“, wie man sagt, reden die wenigsten. Das hat allemal sein Gutes. Deshalb sollten auch diejenigen, die im Dialektglashaus ziemlich weit oben sitzen, beim Steinewerfen ein bisschen vorsichtiger sein. Und von vorneherein selbst auf die Wortwahl achten. Andere, fremdsprachige Menschen, die noch beim Einhören der Sprache sind, „anzuhalten“, in den eigenen vier Wänden Deutsch zu sprechen, ist nicht nur sprachlich ein autoritär-dummdreistes Ansinnen. Luther, allemal ein sprachmächtiger Mann, notierte mit Unmut, dass man mit „Anhalten die Leute nur desto mehr reizet und hetzet“. Schönes Deutsch im Übrigen. In jeder gescheiten Studie über Muttersprache und Fremdsprache liest man das Gegenteil des umstrittenen Parteitagantrags der CSU: nur wer auf einer vernünftigen Basis seine eigene Sprache beherrscht – die er selbstverständlich unter Landsleuten und innerhalb seiner engeren Familie spricht – tut sich leichter mit dem Lernen einer zweiten Sprache, die wiederum, weitgehend beherrscht, problemfrei parallel praktiziert werden kann. Fatal verengt sich ein Wortschatz, der nur aus schlecht angelernten, vielfältig verwendbaren, aber selten richtig passenden Phrasen besteht: „Passt schon!“, „Läuft“ – und so weiter. Schlimmer noch, wenn sich die paar Brocken zweisprachig mischen. An eine eindeutige Identität ist dann nicht mehr zu denken. Wahr bleibt, dass der Rede im öffentlichen Raum für die Integration besondere Bedeutung zukommt. Deutsch als Verkehrssprache sollte dort selbstverständlich sein, wo Dinge verhandelt werden, die alle angehen – und wenn sich Milieus mischen. Die USA hat gezeigt, dass dies gut funktionieren kann, selbst wenn dort Englisch nicht verbindlich als Amtssprache gilt. Über all diese Dinge müsste viel öfter gesprochen werden: durchdacht, freundlich in der Form, klar in der Wortwahl. Und einladend, nicht ausgrenzend. Man braucht dafür unter anderem ein Herz, Verantwortungsbewusstsein und etwas, für das es im Deutschen ein sehr schönes Wort gibt: Sprachgefühl.

x