Kaiserslautern "Guardians Of The Galaxy": Im Sound der Siebziger

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Wer tanzt, kann kein schlechter Kerl sein. Oder doch? Der zweite Teil der Weltraumsaga um die „Guardians Of The Galaxy“ aus dem Marvel-Universum feiert erneut die sorglosen Siebziger und Achtziger, präsentiert aber eine noch eingeschworenere „Familie“ als der Auftaktfilm, der 2014 Fans und Kritiker begeisterte. „Guardians Of The Galaxy, Vol. 2“ toppt seinen Vorgänger als so urkomisches wie wahrhaftiges Plädoyer für Freundschaft, Zusammenhalt und Aus-der-Reihe-Tanzen. Perfekt für einen kleinen Ausbruch aus der Ernsthaftigkeit.

„Es gibt zwei Sorten Wesen auf der Welt: jene, die tanzen, und jene, die das nicht tun“, lautet die Weisheit von Drax. Der wuchtige Haudrauf mit der rotfurchigen Haut ist Nichttänzer und zieht auch deshalb im Kosmos der Beschützer der Galaxie öfter den Kürzeren. Ihr Anführer Peter Quill dagegen ist Tänzer. Und hat schon in „Guardians Of The Galaxy“, dem Überraschungshit des Superheldensommers 2014, hüftschwingend das All gerettet – durch Getänzel aus der Schmusehitschule der Oberschnulzen der späten 1960er bis frühen 80er Jahre. Damit lassen sich auch fieseste Bösewichte aus der Fassung bringen. Oder zumindest kurz ablenken, damit sich der wild zusammengewürfelte Guardians-Haufen für einen listigen Angriff geschickt formieren kann. Ein halber Mensch (Chris Pratt als Peter Quill), ein extraterrestrischer Wrestler-Glatzkopf (Dave Bautista als Drax), ein stets Unruhe stiftender Tüftler in Waschbärgestalt (der auf Englisch von Bradley Cooper gesprochene Rocket), ein Baumwesen (Groot, dem Vin Diesel im Original die Stimme gibt) und eine grünhäutige Schwertkämpferin (Zoe Saldana als Gamora), die sich selbst im heftigsten Kampfesgetümmel über Kleinigkeiten in die Haare kriegen oder erst mal Klebeband suchen: Die „Guardians“ sind die lustigsten Superhelden weit und breit. Abgedreht, derbe, selbstironisch geht es zu. Aber auch klug: Hier wird auf höchsten Niveau dummgelabert. Selbst Linguisten dürften auf ihre Kosten kommen, ist der zu wilden Wutausbrüchen neigende Drax doch sprachwissenschaftlich interessiert und weiß dem Gegner bald handfest zu erklären, was eine Metapher ist. Auch wenn die „Guardians“-Serie auf einer 1969 gestarteten Comicvorlage fußt, wird deutlich: Hier ist ein großer Kindskopf mit Liebe zur Magie des (Genre-)Kino- und TV-Films und einem Faible für die oft so verlachte Popkultur der 70er und 80er Jahre am Werk. Ein Nerd, der seiner Kindheit ein Denkmal setzt, der Zeit von Steven Spielberg und „Zurück in die Zukunft“, vor allem aber von „Knight Rider“, „Packman“ und Musikern wie Fleetwood Mac, Sweet, Norman Greenbaum, ELO oder Marvin Gaye. Der 45-jährige Drehbuchautor und Regisseur James Gunn, der zuvor „Scooby Doo“ oder „Dawn Of The Dead“ schrieb, macht damit sogar J.J. Abrams und dessen neuen „Star Wars“- und „Star Trek“-Kinokosmos Konkurrenz. „Guardians Of The Galaxy“ huldigt beiden Sternensagas, doch hier geht alles durchgeknallter, absurder und doch auch herzlicher zu. Denn im Kern sind es Familienaufstellungen, die James Gunn verhandelt. Wer ist deine wahre Familie, sind es deine Freunde oder die Verwandten?, lautet die „Guardians“-Grundfrage. Schon im ersten Teil ging es im Hintergrund um fehlende oder gar unmenschliche Väter: Nebula und Gamora wurden als Adoptivtöchter des Superschurken Thanos zu stets auf Wettbewerb, Kampf und Schmerzerduldung gedrillten Killerinnen abgerichtet. Gamora aber durfte ihr Gewissen entdecken und zu einer Wächterin der Welt werden. Nun stellt sie sich ihrer Schwester (Karen Gillan), die scheinbar nur eins plant: sie zu töten. Im Zentrum des zweiten – und natürlich nicht letzten – Abenteuers der Truppe, wie der Abspann ankündigt, aber stehen Peter Quill und sein Erzeuger. Dieser trägt den verräterischen Namen Ego. Peter ist ein gutmütiger, abenteuerlustiger, sich bisweilen überschätzender Draufgänger mit kindlichem Gemüt und Sehnsucht im Herzen – sein „Kampfname“ ist „Star-Lord“. Schon seit seiner Kindheit leidet er unter der Abwesenheit des Vaters, den die Mutter „ein Wesen aus Licht“ nannte. Geboren 1981 im ländlichen Montana verlor Peter seine Mutter früh, nur eine von ihr aufgenommene Kassette mit Softrock-, Disco- und Glamsongs, ihr „Awesome Mix 1“, blieb ihm. Samt Walkman. Um diese Schätze zu retten, kehrte er im ersten Streifen in schier ausweglose Situationen zurück. Der Lohn: ein zweites Tape. Der „Awesome Mix 2“ bildet jetzt den Soundtrack der aktuellen 135 Minuten Weltraumwahnsinn. Der heute eher vergessene Song „Brandy“ von Looking Glass aus dem Jahr 1972 scheint als „bestes Stück Musik, das je geschrieben wurde“ zunächst Peter und seinen plötzlich auftauchenden Vater Ego (Kurt Russell) einander näher zu bringen. Doch Ego will mit dem Machosong über einen Seemann, den es nun mal stets in die Ferne zieht, lediglich erklären, warum er Peters Mutter einst sitzen ließ. Außerdem entpuppt er sich als „Celestial“, ein göttergleiches Wesen. Da klingeln bei Gomora, die Peter liebt, aber es natürlich nicht zugibt, gleich die Alarmglocken. Unendliche Macht, ewiges Leben: Selten sind das nette Väter. Das geht Peter auch irgendwann auf. Und langsam verblasst die Wut auf seinen Ziehvater Yondu (Michael Rooker aus „The Walking Dead“), dem blauhäutigen, plündernden Ravager – sozusagen die „Hells Angels“ des Weltalls –, der pfeifend einen tödlichen Pfeil dirigieren kann und Peter nicht gerade mit Liebe überschüttet hatte. „Father And Son“ von Cat Stevens darf dann gegen Ende sogar unironisch (große Kunst!) erklingen. Auch Rocket ist weicher, als er sich gibt, offenbart sich. Zwar neigt der nur 40 Zentimeter große Rebell zu gefährlichen Alleingängen – warum beklaut er die goldglänzenden Bewohner der so perfekten Welt Sovereign, deren stolze Hohepriesterin die Guardians zu Hilfe rief? Einfach darum, eben: Sie war ihm zu großkotzig. Doch an seinem Kumpel Groot hängt er. Das Baumwesen, das den Guardians bei ihrem Kinodebüt das Leben rettete und sein eigenes opferte, ist hier eine niedliche Reinkarnation seines alten rüden Selbst in Setzling-Größe – wird jedoch wieder für Entscheidendes gebraucht. Denn, so die schlichte, aber schöne Botschaft: Nur gemeinsam sind diese Hüter des Gleichgewichts, diese Bewahrer des galaktischen Lebens stark genug, um allen Feinden zu trotzen. Auch wenn sie seltsame Musik mögen und gar David Hasselhoff ernst nehmen, wenn ihre Haut rot, grün oder blau ist oder wenn sie wie ein Tier oder eine Pflanze statt wie ein menschliches Wesen aussehen: Da bäumt sich die gute Seele der gesamten Schöpfung auf und wehrt sich gegen genmanipulierte Perfektion (in Gestalt der Sovereign), gegen Dominanzfantasien einer scheinbaren Allmacht und gegen alle anderen Spaßbremsen. Wenn die UN doch ähnlich erfolgreich wären. Vielleicht hilft ein Mixtape.

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