Kaiserslautern Gott Amor lässt es krachen

Im Dezember hatte an der Oper Frankfurt Monteverdis „Die Krönung der Poppea“, 1642 in Venedig uraufgeführt, Premiere. Jetzt kam dort als passende Fortsetzung die 14 Jahre jüngere und nördlich der Alpen in Innsbruck uraufgeführte Oper „L’Orontea“ von Antonio Cesti heraus, die in Form und Charakter der „Poppea“ nicht unähnlich ist. Es ist eine hinreißende Wiederbelebung der komisch akzentuierten Barockoper, vor allem musikalisch.

Dass Comedy, „Sex and Crime“ und all das, was in einschlägigen Soap-Operas verhandelt wird und Quote bringt, keine Erfindung der modernen Medienwelt darstellt, ist längst bekannt. Das alles gab es schon in der angeblich so steifen Gattung Oper. Und das nur wenige Jahrzehnte nach deren Erfindung. Die geschah zwar aus humanistisch-ernstem Geist, doch es dauerte nicht lange, da wurde das Genre zum Unterhaltungsmedium. Das Dramma musicale „L’Orontea“ des Franziskanerpaters Antonio Cesti, der unter anderem in Innsbruck, Wien und Florenz wirkte, ist dafür ein ideales Beispiel. Im 17. Jahrhundert war das Werk ein regelrechter Renner. Mit Recht, denn der Stoff ist voller Sinnlichkeit und Komik – und Cestis Musik unterstützt dies durch einen pointierten Deklamationston in den rezitativischen Teilen und eine Fülle ausdrucksvoll entfalteter Affekte in den arienartigen Gesangsnummern. Wie in der erwähnten „Poppea“ Monteverdis geht es auch in der „L’Orontea“ um die Wirkung der Liebe auf das menschliche Verhalten. Hier wie da bleiben Zucht und Moral gehörig auf der Strecke. Kein Wunder, dass da der Gedanke an das Privatfernsehen mit seinen Trash-Formaten naheliegt. Doch im spürbaren Unterschied zu heute ist es bemerkenswert, auf welch hohem künstlerischen, vor allem musikalischen Niveau in dieser Oper von 1656 die erotischen Verstrickungen und Derbheiten verhandelt werden. Regisseur Walter Sutcliffe lässt es in seiner Frankfurter Inszenierung in der Ausstattung von Gideon Davey nicht an Deutlichkeit fehlen, etwa in den Szenen des inkontinenten Säufers Gelone oder der Liebesszene zwischen Silandra und Corindo, die an einer Stelle übrigens deutlich an das Schlussduett der „Poppea“ erinnert. Doch der Regisseur verlegt das Stück nichteinfach gute 350 Jahre nach vorne, sondern er spielt geschickt mit anspielungsreichen Versatzstücken von Altägypten über die Barockzeit bis zur Gegenwart. Immer präsent ist der drollig aufgeputzte Amor in vielfacher Gestalt, der am Ende seine offensichtlichen Erfolge mit einer fröhlichen Party und süßem Leben feiert. Die Inszenierung lässt es an Augenkitzel nicht fehlen, ist auch nicht frei von Klischees, aber vor allem ein sehr kurzweiliges Spektakel. Ivor Bolton, der unter anderem an der Bayerischen Staatsoper München mit großem Erfolg eine Vielzahl von Barockproduktionen betreute, steht erstmals in der Frankfurter Oper am Pult. Er bietet eine Einstudierung von prachtvoller Farbigkeit im Klang, zwingender Sprachkraft und raffinierter Ausarbeitung aller Reize von Cestis Partitur. Hohes Stilgefühl und dramatische Spannung gehen bei ihm eine glückliche Verbindung ein. Die vielen Gesangspartien sind sowohl bei den in der Alten Musik erfahrenen Gästen als auch bei den Ensemblemitgliedern in besten Händen. Paula Murrihy gibt die Titelpartie mit erlesener Gesangskultur und ausgefeilter Deklamation. Wunderbar leuchtet der Sopran von Louise Alder als Silandra. Der Countertenor Xavier Sabata gibt dem Alidoro weiche und biegsame Töne, wie immer elegant und kunstvoll singt sein Kollege Matthias Rexroth als Corindo. Ein schillernde Travestie mit fulminantem Barockgesang liefert Guy de Mey als Aristea. Mit klangschönen Basstönen gefällt Sebastian Geyer als Hofphilosoph Creonte, während sich Simon Bailey als Diener Gelone über viele Oktaven hinweg als Opern-Comedian der Extraklasse erweist. Die weiteren Sängerinnen Junita Lascarro, Kateryna Kasper und Katharina Magiera tun das Ihre, die Produktion zum ungetrübten musikalischen Genuss werden zu lassen. Große Begeisterung beim Publikum und hoffentlich der Startschuss für eine Renaissance diese Oper auch auf anderen Bühnen.

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