Kaiserslautern Erster brasilianischer Carnaval lässt die ausverkaufte Fruchthalle beben

Vando Oliveira aus Rio de Janeiro sorgte mit seiner Band und seiner fantastischen Stimme für typisch brasilianisches Karnevalsfl
Vando Oliveira aus Rio de Janeiro sorgte mit seiner Band und seiner fantastischen Stimme für typisch brasilianisches Karnevalsflair.

Was könnte ekstatische Lebensfreude besser verkörpern als Brasiliens Karneval mit seinen Samba-Paraden und den überbordend fantasievollen Kostümen? Zum Auftakt der Jubiläumsreihe 200 Jahre Einwanderung aus Deutschland in Brasilien bebte am Freitagabend die Fruchthalle von heißen Samba-Rythmen und hochkarätigen Show-Acts.

Viele Gäste hatten sich in Schale geschmissen – extravagante Ballkleidung, aber auch ausgefeilte Kostüme brachten schon die richtige Stimmung mit. Ob norddeutscher Fischer oder Sambaqueen, Schneefrau oder brasilianisches Fußballtrikot – ein großes Spektrum war geboten. Selbst ein Bischof tanzte Samba. Knappe Outfits, tiefe Ausschnitte wie auch viel Glitzer und Pailletten zeigten viele Gäste mit brasilianischem Hintergrund. Sogar zwölf Schüler aus Rio Grande do Sul waren im Publikum – sie waren zum ersten Mal in Deutschland und Gäste einer Schule in der Region. Auch etliche Kaiserslauterer mit portugiesischem Hintergrund waren unter den Gästen. Eingeladen zum Carnaval brasileiro hatte das Kulturdezernat mit Unterstützung des brasilianischen Kulturclubs Centro Cultural Brasil em Lautern (CCBL).

Auf Portugiesisch wie auch auf Deutsch begrüßte Christoph Dammann als Leiter des Kulturreferates Kaiserslautern das Publikum. Er dankte dem CCBL für die Unterstützung bei der Vorbereitung, wie auch dem Verein Zukunftsregion Westpfalz für das Sponsoring und nicht zuletzt dem Kulturministerium für die Unterstützung. Als Ehrengäste hieß Dammann die Hoheiten des Karnevalvereins Kaiserslautern (KVK) willkommen mit ihrem Präsidenten Udo Bröckelmann, Prinzessin Carla I. aus dem Hause Globus, Casimir IV. alias Walter Rupprecht, Vizepräsident Klaus Gehm und Senatspräsident Karl-Heinz Karnel. „Lassen Sie uns die brasilianisch-deutsche Verbundenheit und das interkulturelle Verständnis feiern“, lud Dammann das Publikum ein.

Vando Oliveira aus Rio de Janeiro sorgte mit seiner Band und seiner fantastischen Stimme für typisch brasilianisches Karnevalsflair. Viele Gäste sangen begeistert und ausgelassen mit, tanzten und klatschten im Rhythmus oder reihten sich spontan in eine lange Polonaise ein. Lebensfreude pur!

Körper wirbeln, Beine fliegen

Mit den drei Auftritten der Viva-Brasil Samba+Capoeira Show erreichte der Abend seine Höhepunkte. Teils meterhoch waren die bunten Federn des glitzernden Kopfschmucks, die exotischen Kostüme noch knapper als knapp. Auf hohen Plateaustiefeln bewegten die Tänzerinnen sich in rasantem Tempo – Federschmuck, wadenlange Fransen oder transparente Umhänge mit leuchtenden Birnchen wirbelten mit im ekstatischen Rhythmus. Wieder und wieder brachen die Zuschauer in begeisterten Jubel aus.

War das noch zu toppen? Die zwei Capoeira-Tänzer schafften das! Capoeira ist eine historische Kampfsportart Brasiliens, die Kampfbewegungen mit choreographischen Elementen und Musik verbindet. Nur mit weißer Hose bekleidet zeigten die Tänzer, was sie an Körperbeherrschung, Kraft und Wendigkeit drauf haben. Schier unfassbar waren Kopf- oder Einarmstand, Körper wirbelten, Beine flogen durch die Luft, Saltos vorwärts oder rückwärts in irrwitzigem Tempo, Radschlagen im Flug so rasant, dass das Auge kaum folgen konnte. Die Handys der Zuschauer hielten alles fest.

Kurzfristig eingesprungen

Der Kabarettist Marius Jung dagegen schlug in seinem Auftritt nachdenkliche Töne an. Er war für Wolfgang Marschall eingesprungen, der kurzfristig wegen einer Erkrankung abgesagt hatte. Jung ließ Anekdoten aus seinem Leben aufblitzen, die er durch sein afrikanisches Äußeres erlebt hatte. „Woher du komme?“ werde er als gebürtiger Kölscher Jung gern nach seiner Herkunft gefragt. Beim Krippenspiel hatte er – ungefragt – immer die Rolle des König Balthasar. Anhänger der besonderen Betroffenheitskultur begrüßten ihn gern: „Schön, dass du hier bist“ – verbunden mit einem tief betroffenen Blick. „Wo sollte ich denn sonst sein?“, kontert der Comedian. Beißend auch die Kritik am Rat der Nachbarin: „Mit jedem Nebensatz, den du sprichst, wird deine Haut ein Stückchen heller.“ Schade, dass nicht alle im Publikum genügend Aufmerksamkeit für Jungs scharfe Beobachtungen aufbrachten – ein starker Applaus war ihm jedoch sicher.

Die Gäste aus Brasilien zeigen sich begeistert

Wer Hunger hatte, konnte sich in die lange Schlange am Stand der brasilianischen Spezialitäten einreihen. Der Kostümwettbewerb war ein weiterer Höhepunkt des Abends, dessen Samba-Rhythmen schier endlos in die Nacht pulsierten.

Die Gäste mit brasilianischem Hintergrund zeigten sich begeistert. „Das ist so toll, so schön – es ist fantastisch“, sagte Heloisa Wunder, Vorsitzende des CCBL, erfreut. „Die Musik, die Lieder – das ist alles original brasilianischer Karneval“, lobt sie Oliveira und DJ Seu Biu. Der Verein feiert seit der Gründung 2019 jedes Jahr brasilianischen Carnaval. „Unglaublich, wunderschön – der erste brasilianische Karneval“, sagt auch Ray Albuquerque dankbar. „Die Stimmung ist so schön, alle wollen nur feiern.“ Die Brasilianerin, verheiratet mit Dammann, war überrascht, dass so viele Lautrer Gäste ebenfalls kostümiert gekommen sind.

Auch die KVK-Führungsriege war restlos begeistert. „Tolle Musik, tolle Kostüme, tolle Frauen – ganz anders als unser Karneval“, bekannten Gehm und Rupprecht. „Grandios, temperamentvoll“, ergänzte Rupprecht: „Das schreit nach einer Wiederholung.“ Währenddessen ließen sich KVK-Präsident und Prinzessin Carla I. in vollem Ornat auf der Tanzfläche vom Samba mitreißen.

„Seit 100 Jahren wird die Einwanderung aus Deutschland als Riesenereignis in Brasilien gefeiert“, weiß Dammann. „Die meisten Menschen kamen damals aus dem Hunsrück und der Pfalz.“ Lange war die Idee schon im Raum gewesen, aber zum 200. Jubiläum Einwanderung nach Brasilien war klar, dass der Carnaval brasileiro die Auftaktveranstaltung sein sollte. Im weiteren Verlauf des Jahres werde es dazu Ausstellungen, Konzerte, Vorträge geben.

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