Kaiserslautern Ein Clown-Trio im Shuttlebus

Die Lange Nacht der Kultur ist immer wieder ein Höhepunkt im Kaiserslauterer Kulturkalender. Auch in diesem Jahr wurde ein vielfältiges Programm aufgefahren. Von 16 Uhr bis zum frühen Sonntagmorgen luden rund 30 Schauplätze, 150 Veranstaltungen und 500 Akteure kunst- und kulturinteressierte Nachtschwärmer zum Entdecken, Erleben und Genießen ein. Erstmals setzte die Stadt auch Shuttle-Busse zu den jeweiligen Veranstaltungsorten ein, die ein eigenes Programm im Bus-Innenraum präsentierten.

Der Rundgang beginnt auf dem Rathausvorplatz, genauer an einer seit Jahrhunderten zerfallenen und dennoch prägenden Kulturmetropole: die Ruinen der ehemaligen Barbarossaburg. Geplant war ursprünglich ein Ausflug in die Geschichte, auf den Spuren des Kaisers Barbarossa durch die unterirdischen Gänge der Kaiserburg, hinein in die mystische Welt längst vergangener Tage. Doch die historische Zeitreise blieb aus. Die rund 30 wartenden Besucher wurden offensichtlich von den Veranstaltern vergessen oder waren schlichtweg Opfer eines Fehlers im Programmheft. Nach einer Dreiviertelstunde, in der die Gäste fragend und gleichzeitig hoffnungsvoll auf die Uhr schauten, löste sich die Menschenmenge stetig auf. Doch glücklicherweise hatte die Lange Nacht der Kultur noch ein paar weitere Sehenswürdigkeiten zu bieten. Wer selbst ein wenig zur städtischen Kunst und Kultur beitragen wollte, hatte in der Volkshochschule dazu die Gelegenheit. Ab 17 Uhr wurden hier die Pforten geöffnet für Besucher, die gerne mal den Pinsel schwingen. Unter der Leitung von Barbara Sand, Kunstpädagogin an der Volkshochschule, und Kunstdozentin Marie Gouil durften Jung und Alt auf einer großen Leinwand ein Stadtporträt gestalten, welches die kulturelle Vielfalt der Stadt Kaiserslautern widerspiegeln sollte. Ein reger Ansturm vor allem von den kleineren Besuchern machte das Bild zu einem bunten Sammelsurium aus allem, was die Barbarossastadt ausmacht – ob Rathaus, Humbergturm oder der Pfälzer Wald. Gouil zeigte sich überrascht, dass das Logo des 1. FCK erst so spät auf die Leinwand gefunden hat und noch dazu von zwei jungen Mädchen beigesteuert wurde. Neben dem kulinarischen Angebot sorgte auch die Live-Musik der jungen Big Band des Albert-Schweitzer-Gymnasium für das angenehme Drumherum. Bei den vielen Stationen war es nahezu unmöglich alles mitzuerleben. Trotzdem versuchten viele der Besucher, so viel Programm wie möglich mitzunehmen. Deshalb hieß es ab 19 Uhr „Bitte einsteigen!“ in den Lange-Nacht-Shuttlebus und auf zu den kulturellen Höhenpunkten der Stadt! Wer jedoch mit einer ganz normalen Busfahrt rechnete, der wurde eines Besseren belehrt. Zu den Fahrgästen gesellte sich nämlich das Clown-Trio Paulo, Herr Klemmerle und Tiger und sorgte für allerhand lustigen Unfug im dichten Bus-Gedränge. Die Fahrgäste wurden beim Einstieg erst einmal mit dem Staubwedel abgestaubt, die Sitzplätze wurden per Schuhgröße ermittelt und gegen die unbequemen Sitzgelegenheiten gab es ein Kissen samt Rollenmassage unten – beziehungsweise obendrauf. Die Herren mit den roten Nasen machten die Fahrt zum Erlebnis, so dass einige Gäste sogar versäumten, an der angesteuerten Haltestelle auszusteigen. So zum Beispiel die 42-jährige Manuela Blaut, die eigentlich am Waldschlößchen aussteigen wollte, das mit einer „süßen Überraschung“ lockte. Ein Besuch in den geschichtsträchtigen Räumlichkeiten, seit 2011 von der Künstlerwerkgemeinschaft Kaiserslautern bezogen, klärte auf, worum es sich bei der süßen Überraschung handelt: Natürlich eine dreistöckige Torte mit eingebackenen Zuckerbohnen als Los für einen Sachgewinn. Raus aus dem idyllischen Grün um den schönen Albrechtbrunnen, rein in den Shuttlebus, diesmal mit den betörenden Klängen vom Jazz-Duo Helmut Engelhardt und Christian Lassen. Hier lag wahrlich Romantik in der Luft – Tanzeinlagen von mutigen Fahrgästen trotz Ruckeln inklusive. Nächste Station: Japanischer Garten. Hier erwartete die Besucher Natur-Romantik. Fernab vom städtischen Betrieb, ließen zahlreiche Gäste zwischen plätschernden Gewässern, prächtigen Grünanlagen und exotischem Flair die Seele baumlen. Zeitweise wurde das Ambiente von den Klängen der traditionellen Taiko-Trommeln bereichert und am gut bevölkerten Rasenrondell kamen die Besucher auch auf ihre kulinarischen Kosten. Am späteren Abend war das Wiederkommen quasi Pflicht, denn die Illumination ist ein seltenes Spektakel an sich. „Für mich sind die Beleuchtungen immer wieder ein Ereignis. Als wäre man nicht mehr in Kaiserslautern, sondern tatsächlich in einer ganz anderen Welt“, bestätigt der 54-jährige Thomas Dahlmann. Wem der Sinn nach körperlicher Ertüchtigung am Abend stand, der war am Stiftsplatz goldrichtig. Hier wurde nämlich von 19 bis 23 Uhr zum argentinischen Tango-Milonga geladen, eine Premiere bei der Langen Nacht der Kultur. Unter schwungvollen Klängen vom Band trauten sich Könner und solche, die es werden wollten, auf das Tanzparkett unter freiem Himmel. „Hier ist nichts choreographiert. Man hört die Musik und lässt sich inspirieren“, betonte Suse Heger. Anfangs noch zaghaft, ließen sich immer mehr Besucher mit zunehmender Dämmerung auf den Improvisationstanz ein. Diejenigen, die sich nicht so recht aufs Parkett trauen wollten, standen dennoch im Kreis, genossen den Anblick und ließen sich inspirieren. Ein literarischer Höhepunkt wartete im großen Saal der Fruchthalle: Elke Heidenreich, bekannt als „die „schnoddrige Metzgersgattin Else Stratmann aus Wanne-Eickel“ und Moderatorin der ZDF-Literatursendung „Lesen!“, präsentiert hier ihren neusten literarischen Geniestreich. „Neulich im Himmel“ nennt er sich und erzählt von Heidenreichs fiktiver Himmelfahrt ins Paradies. Die Zuschauerreihen verdichten sich ruckartig, schließlich genießt die mehrfach preisgekrönte Autorin und Literaturkritikerin in Deutschland große Popularität. „Hätte ich das gewusst, hätte ich mich schicker angezogen“, verkündet sie sympathisch und legt auch schon los mit ihren Erfahrungen im Jenseits. Und dort geht es scheinbar bunt her. Gott hat keinen Bart, trägt kein langes weißes Nachthemd, dafür aber eine Brille von Fielmann. Luther nagelt mit einem Hammer täglich neue Thesen an die Tür, Günther Grass klebt derweil eifrig auf Wolke Sieben Plakate für die SPD. Liz Taylor und Richard Burton streiten sich den ganzen Tag und leeren riesige Whiskey-Flaschen. Und Michael Jackson spielt in einer dunklen Ecke still mit einer Eisenbahn. Heidenreichs Reise ins Paradies soll 2016 in Form eines Buches erscheinen. Das Manuskript hat die Feuertaufe vor Publikum mit Bravour bestanden.

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