Kaiserslautern Die Stimmen der Machtlosen

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Oscars für Filme über mehr Selbstbestimmtheit, über den Kampf gegen sexuellen Missbrauch und über Rassismus in der US-Geschichte. Dazu Reden über ein besseres Miteinander und den Umweltschutz, unter anderem von Leonardo DiCaprio, der endlich seinen ersten Oscar gewonnen hat: Die 88. Oscarverleihung war ein Abend der Selbstkritik und versöhnlicher Gesten, mit dem Hollywood auch ein bisschen das eigene schlechte Gewissen beruhigen wollte.

„Sie hören nicht deine Stimme, sie sehen nur deine Hautfarbe“, sagt die Figur des von Leonardo DiCaprio gespielten Trappers im dreifach ausgezeichneten, schonungslos brutalen Frontierfilm „The Revenant “ zu seinem Sohn Hawk, einem „Halbblut“. Es ist eine entscheidende Szene in einem – dank der plastisch wirkenden Bilder des zum dritten Mal in Folge geehrten Kameramanns Emmanuel Lubezki – visuell überwältigenden Film über Vaterliebe, harte Männer und den Sinn von Rache und Religion. Gott kann hier mal ein Eichhörnchen sein, mal ein Arikara-Ureinwohner, meist aber ist er abwesend: Die Szene spielt vor knapp 300 Jahren in einem Film, der doch zu metaphernverliebt ist, um als Anklage gegen Ungleichheit durchzugehen. Und doch wurde an diesem Oscarabend mehrfach auf diese Szene verwiesen. „Es wird Zeit, dass die Hautfarbe genauso wenig eine Rolle spielt wie die Länge unserer Haare“, sagte der mexikanische „Revenant“-Regisseur Alejandro G. Iñárritu, als er wie im Vorjahr für „Birdman“ den Regie-Oscar entgegennahm. Zuvor hatte Moderator Chris Rock – fast schon zu oft – auf das vieldiskutierte Thema der Abwesenheit schwarzer Nominierter in den Hauptkategorien verwiesen. Nicht ohne den Witz, dass es sicher schwerwiegendere Ungerechtigkeiten im Leben der schwarzen US-Bevölkerung gebe. Davon, dass die Hautfarbe keine Rolle spielt, ist das Land weit entfernt, zeigte selbst eine eingespielte Umfrage: Chris Rock interviewte afroamerikanische Kinogänger. „Weiße Filme“ wie „Bridge of Spies“ kannten sie erst gar nicht. Die Preise selbst setzten nun Zeichen, so es denn ging. Das Thema sexueller Missbrauch prägt das Entführungsdrama „Raum“, für das Hauptdarstellerin Brie Larson geehrt wurde (Filmstart: 17. März), sowie den Überraschungssieger „Spotlight“, und wurde durch einen Aufmarsch „Überlebender“ vor Augen geführt. Sie begleiteten Lady Gaga bei ihrer Gänsehautperformance zum nominierten Song „Til It Happens to You“ aus einer Doku über die „Vergewaltigungskultur“ an US-Universitäten. US-Vizepräsident Joe Biden als Ansager forderte mit Impetus alle Anwesenden auf, sich gegen Missbrauch zu engagieren. Die „Spotlight“-Produzenten appellierten später gar an Papst Franziskus: „Schützen Sie die Kinder, stellen Sie den Glauben wieder her.“ Dass Filme tatsächlich etwas zu ändern vermögen, zeigt immerhin der Preis für den Dokumentar-Kurzfilm „A Girl in The River“ über eine junge Pakistanerin, die einen „Ehrenmord“-Anschlag des Vaters knapp überlebte. Pakistan habe nun eine Gesetzgebung gegen „Ehrenmorde“ versprochen, betonte Regisseurin Sharmeen Obaid-Chinoy: „Das ist das Ergebnis einer starken Zusammenarbeit engagierter Frauen.“ Als Preis für die lesbisch-schwule und Trans-Gemeinschaft wiederum sah Sänger Sam Smith, der Lady Gaga den Preis wegschnappte, die Trophäe für den Bond-Song aus „Spectre“ an. Obwohl auch das Transsexuellen-Drama „The Danish Girl“ nicht leer ausging, dürfte aber der Preis für Nebendarstellerin Alicia Vikander nicht nur thematisch bedingt sein. Die Schwedin ist schlicht eine großartige Schauspielerin, wie sie auch in „Ex Machina“ bewies, immerhin für die visuellen Effekte ausgezeichnet. Auch der Nebenrollenoscar für Mark Rylance („Bridge of Spies“) würdigt allein die große Kunst des britischen Theatermimen. Der für „Bridge Of Spies“ nominierte deutsche Ausstatter Bernhard Henrich ging allerdings ebenso leer aus wie der deutsche Kurzfilmregisseur Patrick Vollrath.

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