Kaiserslautern Die „schwarze Venus“

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Sie hat ganz wesentliche Kapitel Operngeschichte im 20. Jahrhundert mitgeschrieben, die am 4. Januar 1937 in St. Louis, Missouri geborene Grace Ann Melzia Bumbry. Als erste schwarze Sängerin im Nachtkriegs-Bayreuth, aber auch, weil sie sich irgendwann den gängigen Katalogisierungen entzog. Sopran oder Mezzosopran? Die Bumbry triumphierte immer.

Herbert von Karajan wollte sie – nur sie – für seine „Carmen“ der Salzburger Festspiele 1966, bei der er auch Regie führte. Es war die Zeit, als öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten Oper noch zu bester Sendezeit ausstrahlten und nicht in Nischen versteckten. So kam Grace Bumbry als feurige Zigeunerin an der Seite des kanadischen Tenors Jon Vickers im nach den Festspielen produzierten Musikfilm auch zu bundesdeutschen TV-Ruhm. Wieland Wagner hatte sie – nur sie – schon fünf Jahre früher gewollt, als lockende „Tannhäuser“-Venus für die Bayreuther Festspiele 1961. Dort war sie die erste Afroamerikanerin auf der Bühne. Sie triumphierte, wie schon ein Jahr zuvor bei ihrem Europa-Debüt an der Pariser Oper, als Amneris in Verdis „Aida“. Europa hatte damals kaum den nicht zuletzt durch die Rassenideologie der Nazis entfachten Zweiten Weltkrieg hinter sich, in den USA herrschte noch immer Rassentrennung. Auch in St. Louis, Missouri, wo Grace Ann Melzia am 4. Januar 1937 als Tochter eines Eisenbahnangestellten und einer musikbegeisterten Lehrerin geboren wurde. Die ganze Familie, zu der auch noch zwei Brüder gehörten, sang im Kirchenchor. Im Memorial Methodist Church`s Choir waren die ersten Soli der elfjährigen Grace zu hören. Als die 17-Jährige bei einem Gesangswettbewerb gewann, verweigerte man ihr zwar nicht das Preisgeld, aber die Zulassung am St. Louis Institute of Music. Angenommen wurde sie – nach einem weiteren Talentwettbewerb – an der Universität von Evanston im US-Staat Illinois, wo eine schicksalhafte Begegnung stattfand: mit Lotte Lehrmann, der legendären Sopranistin, die den Rassenwahn der Nazis verabscheute, Europa 1938 verlassen hatte und bis 1951 Star der Metropolitan Opera war, bevor sie sich in Santa Barbara als Gesangspädagogin niederließ. Lotte Lehmann starb 1976, Grace Bumbry, die Lehmann nach Kalifornien gefolgt war und bis 1958 bei ihr studierte, wurde ihre berühmteste Schülerin. Lehmann war es auch, die Bumbry nach Europa schickte. Das erste Engagement trat sie 1960 am Stadttheater Basel an, wo sie sich, ganz klassisch, ein Repertoire ersang und Bühnenerfahrung sammelte. Für Lehmann war Grace Bumbry ein Mezzosopran. Die Eboli in Verdis „Don Carlo“, die Aida-Rivalin Amneris, die „Troubadour“-Mutter Azucena, Carmen, die Samson verführende Dalila, die „Tannhäuser“-Venus: In den 1960er Jahren sang Bumbry die großen Partien ihres Fachs, an der Met, in London, in Paris, in Salzburg und Bayreuth. Aber schon eine „Lady Macbeth“ wies den Weg weiter, ins Sopranfach. Santuzza, Salome, Tosca hießen jetzt ihre Rollen. Und, nach einigem Zögern, auch die Bess in Gershwins „Porgy and Bess“. Ihre wunderbar dunkel timbrierte Stimme erreichte die erforderliche Höhe. Die Kritik mochte ihr dahin nicht immer folgen, wobei die Norma oder die Abigaille in Verdis „Nabucco“ wahrscheinlich auch nicht zu ihren Glanzleistungen zählen. Aber Grace Bumbry ging ihren Weg – und feierte auch als Liedinterpretin Erfolge. Bei der Eröffnung der Bastille-Oper in Paris sang sie 1990 in Hector Berlioz’ „Les Troyens“ die Cassandre und die Didon, in Verona sang sie in einem Jahr die Carmen, im nächsten die Turandot. Mezzosopran oder Sopran? Bumbry war über lange Jahre sowohl als auch. Ihr Abschied von der Bühne vollzog sich langsam und nie so ganz. Noch 1994 brillierte sie als Türkenbab in Strawinskys „The Rake’s Progress“ bei den Salzburger Festspielen, 1997 verabschiedete sie sich mit der Klytämnestra – in Paris, wo sie ihren ersten großen Erfolg gefeiert hatte. In Paris kehrte sie auch zurück – 2010 in Scott Joplins Oper „Treemonisha“. 2013 sah man sie in Wien in der Paraderolle aller großen Opernheroinen, der alten Gräfin in Tschaikowskys „Pique Dame“. Dazwischen gibt sie Meisterkurse, unterrichtet unter anderem auch an der Berliner Universität der Künste, ist Jurorin bei Gesangswettbewerben. Schon 1980 wurde ihr von der Universität ihrer Heimatstadt St. Louis die Ehrendoktorwürde zuerkannt. Ehrungen und Orden erhielt sie in Deutschland, Frankreich, Italien – und zuletzt aus den Händen des ersten schwarzen Präsidenten der USA, Barack Obama, 2009 den Kennedy-Preis für ihr Lebenswerk, eine der höchsten US-amerikanischen Auszeichnungen für Kulturschaffende. Ein Hauch von Glamour umweht ihre Auftritte bis heute, zu Recht.

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