Kaiserslautern Die Schuld des Erben

Für die Öffentlichkeit existierte Cornelius Gurlitt erst seit Kurzem. Jetzt ist der Kunstsammler tot, gestorben mit 81 Jahren. Ein geheimnisvoller Mann. Über Jahrzehnte hatte er rund 1400 Bilder von unschätzbarem Wert im Verborgenen gehortet. Darunter war Raubkunst, die in der Zeit des Nationalsozialismus Juden abgenommen worden ist, unrechtmäßig. Eine Erbschaft seines Vaters Hildebrand, der im Auftrag der Nazis Geschäfte gemacht hatte. Was passiert jetzt damit?

Das öffentliche Leben von Cornelius Gurlitt begann damit, dass er, ein leicht schrulliger alter Mann, der immer bar bezahlte, nirgends gemeldet und nicht krankenversichert war, beim Grenzübertritt aus der Schweiz von deutschen Zollbeamten kontrolliert wurde. Er hatte 9000 Euro in der Innentasche seines Mantels. Die Staatsanwaltschaft wurde informiert. Sie witterte ein Steuerdelikt und ließ im Februar 2012, abgesegnet vom Amtsgericht Augsburg, seine Münchner 100-Quadratmeter-Wohnung durchsuchen. Dabei flog Gurlitts spektakuläre Kunstsammlung auf. Raubkunst ist darunter, Bilder von Marc Chagall, Franz Marc, Pablo Picasso und Henri Matisse. Die Sammlung wurde beschlagnahmt. Die Öffentlichkeit erfuhr von ihr und Gurlitt aber erst im November 2013 durch einen Bericht des Magazins „Focus“. Schon wenige Monate danach waren die Kunstsammlung und ihr Umgang damit schon eine internationale Angelegenheit, in der der US-amerikanische und israelische Botschafter im Kanzleramt vorsprachen. Offiziell berufene Provenienzforscher beugten sich jetzt über die Bilder. Verdächtige Werke wurden ins Internet gestellt. Besitzansprüche wurden angemeldet. Cornelius Gurlitt war plötzlich so bekannt, dass Reporter der „New York Times“ nach Hochstadt in der Pfalz reisten, nur weil dort ein Galerist die Bilder von Cornelius Gurlitts jung verstorbener Tante Cornelia zeigte. Er selbst verstand die Welt nicht mehr. Zumindest behauptete er das. Ein hilfloser Greis, der nach einer Herzoperation Tag und Nacht betreut werden musste. „Mehr als meine Bilder habe ich nichts geliebt in meinem Leben“, sagte er in seinem einzigen Interview im „Spiegel“. Aber sein Verhalten vor seiner Entdeckung gab auch zu denken. Geerbt hat Cornelius Gurlitt die heikle Kollektion von seinem Vater Hildebrand Gurlitt, der wegen seiner jüdischen Großmutter von den Nazis als Museumsdirektor erst entlassen wurde, dann für sie als Kunsthändler gearbeitet hat. Hildebrand Gurlitt hat mit als „entartet“ aus Museen entfernter Kunst gehandelt, wohl auch die Bedrohungslage von Juden in der Nazizeit ausgenutzt, um ihnen wertvolle Werke zu Spottpreisen abzuluchsen. Später fügte er diese Werke seiner eigenen Sammlung bei und behauptete, sie sei bei der Bombardierung Dresdens verbrannt. Seine Witwe und sein Sohn Cornelius übernahmen nach seinem Tod die Legende. Sie verschleierten, täuschten, dealten. Und das wissentlich. Warum sonst hat Cornelius Gurlitt sonst schon bei einem Verkauf die Erben eines jüdischen Sammlers beteiligt? Allerdings hat er dabei immer noch Hunderttausende Euro kassiert. Moralisch war das, was Cornelius Gurlitt getan hat, verwerflich. Für ihn sprach zum Schluss dann doch noch ein Deal, der nicht Deal genannt werden soll, und den seine Anwälte für ihn machten. Im April dieses Jahr kündigte Cornelius Gurlitt jedenfalls an, die Werke zurückgeben zu wollen, die ihm nicht gehören. Rein rechtlich war er dazu nicht verpflichtet. Und die Staatsanwaltschaft beschloss fast gleichzeitig, ihm seine Sammlung wieder zu überlassen, die sie sich auf sehr wackeliger Basis einverleibt hatte. Er aber hat sie nicht mehr gesehen. Sie lagert an einem geheimen Ort. Die Forscher forschen weiter. Was damit passiert und wer die Sammlung erbt – Gurlitt hat noch Familie –, steht indes jetzt in den Sternen. Seine Anwälte haben ihr Mandat beendet. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ruhen auch in Frieden.

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