Kaiserslautern „Die Gegend ist einfach radsportverrückt“

Viele klatschende Zuschauer am Anstieg nach Weselberg: Der Mehlinger Daniel Gundall und Zeitfahrmeister Leon Heintschke führen d
Viele klatschende Zuschauer am Anstieg nach Weselberg: Der Mehlinger Daniel Gundall und Zeitfahrmeister Leon Heintschke führen das Feld beim ersten von elf Anstiegen an.

Als die Kirchturmuhr von „Herz Mariä“ am Sonntag 20.30 Uhr schlug, war der Platz zwischen Kirche und Mehrzweckhalle fast schon wieder aufgeräumt. Zwei intensive Radsporttage mit der Vergabe von acht deutschen Meistertiteln im Straßenradsport standen nun in der Ortsgeschichte von Linden. Bürgermeister Uwe Unnold zog Bilanz: „Wir sind schon sehr stolz, das so gut hingekriegt zu haben“.

Unnold, zugleich zweiter Vorsitzender des RSC Linden, wollte seine Sonnenbrille gar nicht mehr abnehmen. Die Sonne schien für ihn immer noch nach dem so großartigen Wochenende für den Ort und für den Verein. Linden und der RSC hatten dem Bund Deutscher Radfahrer nach der Absage von Berlin bei der Ausrichtung der Titelkämpfe für die Nachwuchsklassen bravourös aus der Klemme geholfen. Andreas Märkl, die treibende Kraft der Veranstaltung, bekam Gänsehaut bei der letzten Siegerehrung. „Das inspiriert doch, wenn man erlebt, wie der ganze Ort die Nationalhymne mitsingt für einen Fahrer, der zwar das Trikot des RSC Linden trägt, aber aus der Nähe von Stuttgart kommt. Das zeigt, dass die Gegend um Linden, Queidersbach und Bann einfach radsportverrückt ist“, sagte er gerührt. Als Marius Mayrhofer (16) auf der Zielgeraden zum Sieg im Juniorenrennen sprintete, jubelten die Fans links und rechts der Zielgeraden wie verrückt. Zwar standen weder Niklas noch Lukas Märkl, deren Namen vielfach aufgesprüht auf dem Asphalt zu lesen waren, am Ende auf dem Siegerpodium, aber immerhin einer aus dem gastgebenden Club. „Wir haben eben mehrere Pferde im Stall, die Rechnung ging auf“, sagte Andreas Märkl, der Mayrhofer wie auch Lukas Baldinger zu Saisonbeginn in den Verein und zum Team Wipotec geholt hatte. Seinen beiden Söhnen war es im 122 Kilometer langen Rennen wirklich schlecht ergangen. Irgendeinen Virus hatten sie sich eingefangen, und doch gaben sie alles. Klar war aber auch: Wenn einer aus dem Team vorne fährt wie Marius Mayrhofer, dann kann kein Märkl hinten Dampf machen. Trotzdem hatte sich Niklas Märkl auf der letzten Abfahrt nach Queidersbach mit letzter Kraft aus dem Verfolgerfeld davongestohlen, um sich seinem Publikum zu zeigen und als Fünfter das Punktepolster im Kampf um das lilafarbene Trikot des Bundesliga-Spitzenreiters aufzubessern. Für Teamchef Hermann Mühlfriedel jedenfalls ging mit Mayrhofers Sieg der Tag erfolgreich zu Ende. Die beiden Meisterschaftstage waren ein Kraftakt. Ganz sicher. Gerade der Samstag mit den beiden Zeitfahr-entscheidungen forderte die ganze Aufmerksamkeit. „Das Zeitfahren würde ich am Berg und auf dieser Strecke nicht mehr durchführen, das wäre zwischen Linden und Queidersbach im Flachen besser aufgehoben gewesen“, sagte Andreas Märkl. Aber der Verband wollte das so. Und der Sonntag hatte mit einer schlechten Nachricht begonnen: Rennarzt Dr. Volker Strasser aus Queidersbach fiel aus gesundheitlichen Gründen aus, kurzfristig musste ein Ersatz gesucht werden. Zu dem extrem schwierigen Kurs über elf Kilometer bekannte sich An-dreas Märkl: „Wir brauchen in Deutschland solche Rennen, um international weiterzukommen. Manche kritisierten, dass er viel zu hart gewesen sei, aber in Italien oder Belgien ist so etwas Standard.“ Mareike Germann (17) aus Bann, die vor zwei Wochen deutsche Meisterin mit dem Bahnvierer geworden war, glänzte in Linden mit den Plätzen sechs im Straßenrennen und zehn im Zeitfahren. „Mein Trainer Josef Schüller hatte uns jeden Mittwoch diesen Berg hochgejagt. Immer tat es verdammt weh, bis es dann eben nicht mehr weh tat. Ich habe jedenfalls in diesen Einheiten gelernt, mir das Rennen richtig einzuteilen“, sagte die Elft-klässlerin am Kaiserslauterer Heinrich-Heine-Gymnasium, der Eliteschule des Sports, nach ihrem Top-Wochenende. Mit großem Interesse verfolgten auch Miriam Welte und ihr Partner Oliver Schäfer das Rennen, sowohl im Begleitfahrzeug von Andi Märkl wie auch für drei Runden am Stich hinauf in Richtung Weselberg, wo sie die Rennfahrer anfeuerten. Morgens noch beim Stuttgarter Halbmarathon im Einsatz, wo sie für Sporthilfe-Premiumpartner Mercedes das „Warm up“ der Firmenmitarbeiter leitete, war sie mittags mit guter Laune und strahlendem Gesicht zur Stelle, um bei den Siegerehrungen der U17 und U19 zu assistieren. Eine Olympiasiegerin und Weltmeisterin bei der Jugend als Zuschauerin – auch das tat dieser tollen Veranstaltung richtig gut.

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