Kaiserslautern Die Einsamkeit des Langstreckenläufers

Das Thema Krieg scheint Schauspiel-Star Angelina Jolie als Regisseurin zu faszinieren. Ihr 2012 auf der Berlinale gezeigter erster Spielfilm, „In the Land of Blood and Honey“, setzte sich mit dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien auseinander. Ihr nun zweiter Spielfilm „Unbroken“ blickt weiter zurück, auf den Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Eine wahre Episode aus dem Krieg zwischen den USA und Japan steht im Zentrum.

Wie schon mit ihrem Spielfilm-Debüt, so wird Angelina Jolie auch mit diesem Film Publikum und Kritik spalten. Denn wieder setzt sie auf brutale Gewaltdarstellungen. Das hält nicht jeder aus. Sie übertreibt. Und: Je mehr sie zeigt, umso weniger Wirkung erzielt sie. Da man das Ende zwar nicht im Detail kennt, aber grundsätzlich ahnt – starb doch das wirkliche Vorbild ihres Filmhelden erst vor einigen Monaten hoch betagt –, winkt man bei der x-ten Schockszene nur noch ab. Es geschieht das Schlimmste, was im Kino passieren kann: Langeweile stellt sich ein. Der Kriegsheld, dessen Geschichte Angelina Jolie erzählt, ist 2014 mit 97 Jahren gestorben und hatte sich zunächst als Sportler einen Namen gemacht. Louis Zamperini, als Erwachsener im Film von Jack O’Connell verkörpert, gehörte zu den Athleten der USA, die 1936 an den Olympischen Spielen in Berlin teilgenommen haben. Er stand nicht auf dem Siegerpodest, aber er hatte während einer Runde des 5000-Meter-Laufs eine unglaubliche Schnelligkeit gezeigt und wurde damit zu einem der populären Olympia-Teilnehmer. Doch die Karriere war rasch vorbei. Der Zweite Weltkrieg beendete sie. Louis ging zur Luftwaffe. Hier blendet der Film ein: Zamperinis Flugzeug stürzt während eines Kampfeinsatzes ab. Er und zwei Kumpel überleben. Nach wochenlangem Treiben im Meer landet Louis in einem japanischen Kriegsgefangenenlager. Hier wird er von Kommandant Watanabe (Takamasa Ishihara) zum Objekt von Gewaltfantasien auserkoren und entsetzlich sadistischen Qualen ausgesetzt. Doch Zamperini kommt durch. Laura Hillenbrands 2010 in den USA und im Jahr darauf in Deutschland erschienene Zamperini-Biografie „Unbeugsam: Eine wahre Geschichte von Widerstandskraft und Überlebenskampf“ hat dem Film als Anregung gedient. Als dessen Autoren werden auch die renommierten Coen-Brüder („Fargo“) genannt. Der nun zu sehende Film wirkt jedoch, als hätten sich die diversen Drehbuchschreiber und Frau Jolie vor allem für das Thema „Widerstand und Überlebenskampf“ interessiert. Zamperini wird schon in den Momentaufnahmen aus der Kindheit (hier von C. J. Valleroy verkörpert) als kraftstrotzender Kerl gezeigt, den nichts wirklich umhauen kann. Der Junge, der immer wieder aufsteht, kennt auch als Mann keine Schwäche. Und das ist die große Schwäche des Films: Der Held wirkt zu glatt. Ja, er erleidet Schmerzen, ja, er spiegelt die Pein in seinem Gesicht und in seinem Körper. Doch was ihn in seinem Inneren bewegt und aufrecht hält, wird nicht deutlich. Zamperini hat, das wird klar, den Willen zum Durchhalten verinnerlicht. Der Mann wird als physisch enorm stark gezeigt. Doch welche psychische Kraft er aufbringt, um durchzuhalten, wird nicht erzählt. So bleibt ein Großteil möglicher Spannung und gedanklicher Tiefe auf der Strecke. Der Star des Films ist Kameramann Roger Deakins. Der bisher elf Mal für einen Oscar nominierte Engländer, der bereits „No Country for Old Men“, „Der Vorleser“ und „Skyfall“ fotografiert hat, bietet großes Kino. Ob in Totalen oder Nahaufnahmen, stets zeigt er das Leid des Langstreckenläufers mit höchstmöglichem äußeren Effekt. Unterstützt von exzellenten Ausstattern, gelingt es Deakins tatsächlich, die Illusion zu erwecken, in die Vergangenheit einzutauchen. Jack O’Connell, macht, ob athletisch oder abgemagert, in den ausgeklügelten Tableaus von Deakins eine gute Figur. Doch weil ihm, der im Vorjahr im IRA-Drama „’71“ brillierte, das Drehbuch und die Regie keine Chance geben, die menschlichen Dimensionen der Figur auszuloten, wirkt er lediglich als personifizierte Parole von der Macht eines eisernen Durchhaltewillens. Der wirkliche Louis Zamperini muss ein Mann von anderem Schrot und Korn gewesen sein. Nach seiner Rückkehr aus Japan in die USA wandte er sich als Christ der sogenannten Erweckungsbewegung zu und trat, in Gefolgschaft von Billy Graham, vielfach als Redner auf. Durchhaltewillen postulierte er nicht. Er befasste sich oft und ausführlich mit dem Thema „Vergebung“. Dafür hat sich Angelina Jolie offenbar nicht interessiert. Ihr filmischer Langstreckenlauf endet, bevor der Held auch nur einen Moment Zeit hat, über sich selbst und sein Heldentum nachzudenken. So nimmt auch der Zuschauer kaum Stoff zum Nachdenken mit nach Hause. Wie schon bei „In the Land of Blood and Honey“ stellt sich der Eindruck ein, Angelina Jolie verstehe zwar das Handwerk des Inszenierens. Und sie kennt das Kino. Berühmte Filme wie „Die Brücke am Kwai“ und „Merry Christmas, Mr. Lawrence“ kommen einem in den Sinn. „Unbroken“ kann optisch mithalten, die inhaltlichen Dimensionen solcher Anti-Kriegsfilme werden jedoch nicht erreicht. Angelina Jolies erster Spielfilm konnte trotz seiner Schwächen als Versprechen auf mehr angesehen werden. Das Versprechen wird mit diesem Film (noch?) nicht eingelöst.

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