Kaiserslautern Die Baumeister im Regenwald

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Als Archäologen auf Forschungsreise dürfen sich die Besucher der Ausstellung „Maya – Das Rätsel der Königsstädte“ im Historischen Museum der Pfalz in Speyer fühlen: Die Schau bereitet aktuellste wissenschaftliche Erkenntnisse spannend und modern auf. Und sie erzählt anhand von 250, teils erstmals in Europa zu sehenden Exponaten anschaulich nach, wie sich das Netzwerk der Mayastädte entwickelte und wieso es unterging.

Ein bisschen ungelenk liegt er da, der „Jaguarkrieger“, der sich dann als riesige, eine Tonne schwere Hauszierde entpuppt, die einen Tänzer mit Jaguargottmaske zeigt: Mit Schellen an den dicken Waden ließe es sich schlecht anpirschen. Ein genauer Blick ist nötig bei der Beschäftigung mit der Kultur der Maya, um die sich so viele Legenden ranken. Nein, die Mayakönige haben die Verlierer beim Ballspiel nicht hinrichten lassen, räumt Mayaforscher Professor Nikolai Grube mit Irrglauben auf. Schließlich waren die Mannschaften Profis, der Stolz des Hofes: „Das wäre ja, als würde man die Bayern hinrichten nach der Niederlage in Madrid.“ Grube, dem die komplexen Maya-Worte leicht und locker über die Lippen gehen, forscht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und hat die Speyerer Ausstellungsmacher um Lars Börner beraten. Fünf Jahre lang hat das Museumsteam an der Schau gearbeitet – und konnte so ein schlüssiges Konzept erstellen, das sich deutlich von jenem der jüngsten Maya-Ausstellung in Berlin absetzt, die sich auf die künstlerische Bildsprache konzentriert hatte. In Speyer ist der Ansatz kulturhistorisch umfassender: Die Stadtstaaten inmitten des Regenwalds stehen im Mittelpunkt – und die Fragen, wie sie überhaupt wachsen konnten im unwirtlichen Urwald und warum sie dann doch recht plötzlich um 950 nach Christus untergingen. Eingangs beeindruckt – hinter dem Jaguartänzer – eine Panaroma-Luftaufnahme von Tikal die Besucher: Nur ein paar Pyramidenspitzen ragen aus dem dichten Grün. Mit Macheten haben sich die ersten Forscher im 19. Jahrhundert den Weg frei geschlagen, verdeutlicht ein kleiner Raum, während gegenüber eine „Punktwolkendarstellung“ in Regenbogenfarben strahlt: Sie zeigt die Stadt Uxul, wie sie dank modernster Lasertechnik (LiDAR – Light Detection and Ranging) lokalisiert und kartografiert werden konnte. Uxul im südlichen mexikanischen Yucatan, drei Kilometer von der Grenze zu Guatemala entfernt, war 730 nach Christus verlassen worden. „Dann kam der Regenwald, und bis 2005 war niemand mehr da“, berichtet Nikolai Grube. Seit 2009 arbeitet der Bonner Experte mit seinem Team vor Ort auf dem rund vier Quadratkilometer großem Gelände. Eine typische Mayastadt, in der rund 6000 Menschen lebten, haben sie entdeckt – im Museum nun dank App und IPad auch dreidimensional erlebbar. Stilisiert auf dem Boden dargestellt, lässt es sich durchs Handwerkerviertel flanieren, am Sumpf vorbei – man erfährt, wie die Bewohner ans nötige Brennholz oder ans Wasser für den Maisanbau kamen – über die große Plaza mit Ballspielplatz hin zur Pyramide. Uxul gehörte zur Kaan-Dynastie, ansässig in der 40.000-Einwohner-Stadt Calakmul, und ab dem 7. Jahrhundert die Großmacht Yucatans. Weiter südlich, in Guatemala, hatte sich derweil Tikal als Zentrum eines Netzwerks aus verbündeten Städten entwickelt, zeichnet die Schau später nach. Zuvor begegnen wir dem „Königlichen Hofstaat“ von El Peru, gelegen westlich von Tikal: Die Vielzahl von Keramikfiguren aus dem 7. Jahrhundert erzählt von den typischen Hierarchien. Auch um das Gottkönigtum geht es, um Rituale und Opfer. Und um den zentralen Maisgott. „Ohne Mais hätte es die Hochkultur der Maya nie gegeben“, betont Grube. „Maismenschen“ nannten sich die Maya auch selbst. Im Mayagebiet in Mexiko (den heutigen Bundesstaaten Tabasco, Chiapas, Campeche, Yukatan und Quintana Roo), Guatemala, Belize und El Salvador, wo sich die Hochkultur um 1000 vor Christus entwickelte, sind Grube zufolge bereits Mais- und Maniokpollen entdeckt worden, die sich auf 3400 vor Christus datieren lassen. Die Maisgottheit trägt gern Jade und hat einen länglichen, kolbenhaften Kopf. In Speyer tanzt sie vor allem auf Geschirr vor einer Wand echter, bunter Maiskolben („Nicht zum Verzehr geeignet“, warnt eine Tafel knabberbereite Besucher). Die Teller erstrahlen in erstaunlich kräftigen Farben, nachgemalt aber ist hier nichts, betont Grube. Das Gros der Exponate stammt aus drei Sammlungen aus Guatemala. Die Organisation „Fundación La Ruta Maya“ etwa hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kunstschätze aus Guatemala, die aus Raubgrabungen oder anderen fragwürdigen Quellen im Kunsthandel landeten, wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So zeigt die Schau auch auf, was durch die daher meist nicht mögliche geografische Verortung an Wissen verloren gegangen ist. Zum Beispiel, wo genau der Leopardentänzer einst auf dem Dach thronte. Die sehenswerte Schau, die den Besuchern Stoff für viele Stunden des Verweilens und Nachsinnens bietet, ist in Kooperation mit dem Drents Museum im niederländischen Assen entstanden. Dadurch ließen sich die Kosten auch reduzieren, die sich für Speyer noch auf rund 1,7 Millionen Euro beziffern, erläuterte Museumsdirektor Alexander Schubert. Heute leben laut Nikolai Grube noch sieben bis acht Millionen Maya in Mexiko, Guatemala, Honduras und El Salvador, die auch ihre alte, ihnen im 16. Jahrhundert von den spanischen Eroberern verbotene Schriftsprache wieder entdecken: Erst seit rund 20 Jahren lassen sich die Hieroglyphen entziffern. Bislang sind laut Grube 70 bis 80 Prozent der rund 800 Zeichen und Zeichengruppen entschlüsselt. In der Ausstellung sind für Entdecker eine Vielzahl von Schriftzeichen, aber auch figürliche Darstellungen denn auch in Zusatztafeln aufbereitet und erläutert, etwa die Symbolik des Türsturzes aus Tikal, der komplett aus Holz ist – und im 19. Jahrhundert von einem Kaffeebauern nach Basel ins dortige Museum gebracht wurde. Tikal siegte Anfang des 8. Jahrhunderts zwar im großen Konflikt gegen die Kaan-Dynastie, doch läutete dies das Ende der Hochkultur ein, verdeutlicht die Schau: Die Regenten von Tikal konnten ihre Machtansprüche nicht flächendeckend durchsetzen, einstige Vasallen fielen ab, das Königtum kollabierte. In der herrscherlosen Zeit ohne Zentralgewalt eskalierten lokale Konflikte. Als dann zusätzlich eine schwere Dürreperiode die Welt der Maya erschütterte, zerfielen die Städte weiter. Und der Regenwald überwucherte sie. Manche harren auch heute noch der Wiederentdeckung. Die Ausstellung —„Maya – Das Rätsel der Königsstädte“, Historisches Museum der Pfalz in Speyer, ab Sonntag bis 23. April 2017; großes Begleitprogramm mit Vorträgen und Führungen —Für Kinder gibt es elf Mitmachstationen zum spielerischen Erkunden (etwa der Schrift oder des Kakao-Anbaus), dazu einen eigenen Audioguide, Ferienprogrammaktionen und Maya-Lesenächte —Ein umfangreicher Katalog (340 Seiten) ist bei Hirmer erschienen, im Museumsshop erhältlich für 24,90 Euro. —Details unter www.maya-ausstellung.de

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