Kaiserslautern Der Exaltierte

91-88527763.jpg

Wie? Schon fast 25 Jahre her? Im November 1991 starb Freddie Mercury mit nur 45 Jahren an Aids. Der begnadete Sänger war als Frontmann knapp zwei Jahrzehnte die dominierende Figur der britischen Rockband Queen gewesen, die mühelos bei Auftritten einen Chor aus 72.000 Stimmen dirigieren konnte. Heute wäre er 70 Jahre alt geworden.

Was für ein Stück! 5:55 Minuten Spielzeit, viel zu viel für eine Single, die es ins Radio schaffen kann, dazu der mehrteilige Aufbau, mit ruhigem Anfang, rockigem Ende und einem Mittelteil, der mehr an Oper denn an Popmusik erinnert. Die Rede ist von „Bohemian Rhapsody“, immer wieder auf den vorderen Plätzen, wenn nicht sogar ganz an der Spitze bei allen möglichen Hitparaden, selbst mehr als 40 Jahre nach der Veröffentlichung. Geschrieben hat das Stück Freddie Mercury. Oft wird vergessen, was für ein begabter Songschreiber er war. Als Sänger absolute Spitzenklasse, keine Frage, aber auch die Stücke aus seiner Feder („We Are The Champions“, „Somebody To Love“) müssen sich hinter denen seiner Bandkollegen – Schlagzeuger Roger Taylor, Bassist John Deacon und Gitarrist Brian May – nicht verstecken. Geboren wurde Freddie Mercury heute vor 70 Jahren als Farrokh Bulsara auf Sansibar, gelegen vor der afrikanischen Ostküste, bis 1963 ein Protektorat der britischen Krone, inzwischen ein Teil Tansanias. Anfang der 1960er Jahre floh seine aus Indien stammende Familie vor politischen Unruhen auf der Insel nach England. Der Teenager hatte da bereits eine Ausbildung in einem englischsprachigen Internat in Indien hinter sich. In England lernte er ein paar Jahre später in London, in der bunten Hochschulszene, die späteren Mitglieder von Queen kennen. Seine markante Stimme – im Umfang vergleichbar der eines Opernsängers – hatte er damals schon. Begünstigt wurde sie durch eine anatomische Besonderheit: Mercury hatte vier Zähne zu viel in seinem Kiefer, was zwar sein Gebiss auffallend hervor stehen ließ, sich aber blendend auf seine Stimme auswirkte. Fluch und Segen zugleich. Queen entwickelten sich zur dominierenden britischen Band der 70er und 80er Jahre. Alle Bandmitglieder schrieben Stücke, allesamt lieferten sie Hits – „Another One Bites The Dust“ ist etwa von Bassist Deacon: Aber ohne ihren extrovertierten Sänger mit der markanten Stimme wären Queen niemals das geworden, was sie waren. Auf 18 Alben ist Mercury zu hören, die Liste der Hits ist lang. „Bohemian Rhapsody“ ist quasi nur die Spitze des Eisbergs. Das Quartett schaffte es zudem, die Energie und auch die Varianz seiner Songs ohne Reibungsverlust auf die Bühne zu bringen. Auch 30 Jahre nach dem letzten Auftritt – Anfang August 1986 im Knebworth Park nahe London vor rund 200.000 Zuschauern – ist das noch zu spüren, auch wenn das Erlebnis nur noch aus der Konserve („Queen Rock Montreal“ von 1981 und „Live at Wembley 1986“ ist beides als DVD zu haben) zu reproduzieren ist. Als Mercury nach dem letzten Auftritt in den Hubschrauber stieg und entschwand, wusste er womöglich bereits, dass der letzte Akt seines Lebens begonnen hatte. Darüber, wann er genau davon erfuhr, HIV-positiv zu sein, gibt es unterschiedliche Angaben. Ab Mitte der 80er Jahre zumindest ahnte Mercury, dass etwas mit seiner Gesundheit nicht stimmte und die umjubelten Konzerte des Jahres 1986 (im Juni stieg eines davon auf dem Mannheimer Maimarkt vor 85.000 Zuschauern) wohl die letzten sein würden. Mercury hatte sich nie öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt, war aber in den 70er und 80er Jahren in den Schwulenszenen New Yorks und Münchens unterwegs gewesen. Bis einen Tag vor seinem Tod stritt es Mercury stets ab, erkrankt zu sein. Dabei sprechen die Bilder zum letzten Musikclip der Band – „Those Are The Days Of Our Lives“, gedreht Ende Mai 1991, also ein knappes halbes Jahr vor seinem Tod – eine deutliche Sprache. Mercury ist abgemagert, wirkt schwach, kränklich. Die Dreharbeiten mussten dauernd unterbrochen werden. Dennoch reichte Mercurys Kraft noch aus, um nicht nur das Video zu vollenden, sondern auch um noch eine Vielzahl von Songs einzusingen, so dass das letzte Queen-Album („Made In Heaven“) rund vier Jahre nach seinem Tod erscheinen konnte. Der Sänger starb am 24. November 1991 in seinem Haus in London, seine sterblichen Überreste wurden eingeäschert, ein Grabmal oder eine Gedenkstätte gibt es nicht. Was bleibt, sind die Hits, die heute immer noch bei Siegesfeiern laufen („We Are The Champions“), die Spitze von Hitparaden krönen („Bohemian Rhapsody“) oder schon von Kindergartenkindern mitgeklatscht werden („We Will Rock You“). Und natürlich die Live-Shows – leider nur noch auf dem Bildschirm erlebbar –, wie der phänomenale Auftritt bei Live-Aid im Juli 1985 im Londoner Wembley-Stadion. Wer wissen will, was Queen live ausmachten, wie scheinbar mühelos Freddie Mercury die Massen dirigierte, wie sehr er die Bühne liebte, der schaue sich den knapp halbstündigen Auftritt an. Er beginnt mit? Richtig. „Bohemian Rhapsody“.

x