Kaiserslautern Das Museum bleibt geschlossen

Das Nationaltheater Mannheim hat sich in der jüngeren Vergangenheit vielleicht als Wagner- oder als Mozartbühne bewährt. Auch das Zeitgenössische hatte und hat seinen Platz. Die leichte Muse eher weniger. Mit einer gelungenen Neuproduktion von Lehárs Operette „Die lustige Witwe“ ist zumindest ein Anfang gemacht. Premiere der Inszenierung von Renato Zanella war am Samstagabend.

Wien, 30. Dezember 1905 – die Geburtsstunde der modernen Operette des 20. Jahrhunderts. Aber auch der Beginn einer weltweiten Erfolgsgeschichte, die Franz Lehárs Operette „Die lustige Witwe“ geschrieben hat und teilweise immer noch schreibt. Es ist aber ruhiger geworden um das Stück. Während noch in den 1970er Jahren alle Ohrwürmer vom „Vilja-Lied“ bis zu „Lippen schweigen“ gesellschaftliches Allgemeingut waren (und als Häppchen verteilt, auch Teil der Abendunterhaltung im Fernsehen), summen im Mannheimer Nationaltheater nur noch vereinzelte Besucher mit. Was ja dann auch irgendwo gut ist. Wie nähert man sich dieser Operette? Mit der Überheblichkeit des Radikal-Modernisierers? Oder mit der unverbindlichen Unterhaltungsverpflichtung des Conférenciers? Nimmt man die Entstehungszeit mit ins Boot, ist man ja zwangsläufig bei der These vom Tanz auf dem Vulkan: Ganz Europa walzert, polkat und cancant sich im frühen 20. Jahrhundert in Richtung Abgrund. Heute noch „Lustige Witwe“ und „Zippel-Zippel-Grisetten“; morgen Kriegsbeginn Erster Weltkrieg und Verdun. Mannheims Produktionsteam mit Regisseur und Choreograph Renato Zanella, Bühnenbildner Dirk Becker und Kostümbildnerin Esther Walz geht einen anderen Weg. Zunächst einmal wurde viel Zeit und Mühe in die Kostüme investiert, die aussehen, als könnten sie bei der Uraufführung im Theater an der Wien dabei gewesen sein. Auch die Bühne deutet zumindest im zweiten Akt historische Authentizität an. Das könnte jetzt alles ziemlich schnell an genau jenen Punkt führen, an dem das Opernmuseum seine Türen öffnet – in dem der Raum für die Operette ja ohnehin nur eine Abstellkammer ist. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Mannheimer Produktion nimmt die leichte Muse ziemlich ernst. Jedenfalls nicht auf die leichte Schulter, obwohl sie immer auch beschwingt, fröhlich, manchmal frivol, oft witzig und bestimmt nie langweilig ist. Irgendwann spielt dann aber die ganze Glitzerwelt der Operettenunterhaltung keine Rolle mehr: Es geht jetzt nur noch um dieses verzweifelte Ringen zweier Menschen um ihre Liebe, um ihre gemeinsame Zukunft, um ihr Leben. Die Personenführung ist stets ablesbar am Bühnengeschehen und erreicht noch jedes einzelne Mitglied eines auch großartig singenden Chores. Und im Graben sorgt Joseph Trafton am Pult des Nationaltheaterorchesters für Brillanz ebenso wie für Walzerseligkeit, für sehnsuchtsvolle Kantilenen ebenso wie für mitreißende Cancan-Rhythmen. Die Ensembleleistung passt in das positive Bild: Angefangen mit einer von Astrid Kessler mit großer Stilsicherheit und wunderschöner Stimme gesungenen Hanna Glawari und einer zauberhaften Vera-Lotte Böcker als Valencienne. Wunderbar auch, Thomas Jesatko einmal weit entfernt von Wagners und Strauss’ Klangwelten auf einer Operettenbühne als Baron Zeta zu erleben. Raymond Ayers scheint die Rolle des Danilo fast auf den Leib geschrieben: Er ist der unwiderstehliche Schwerenöter ebenso wie der unter seiner Sprachlosigkeit leidende Empfindsame, der einfach nicht über seinen Macho-Schatten springen kann. Dann hätten wir noch die glutvollen Spitzentöne von Andreas Hermann als Camille. Und als Faktotum sorgt Uwe Schönbeck in der Rolle des Njegus für die meisten Lacher des Abends. Wer also gut gemachte Unterhaltung ohne Oberflächlichkeit sucht, der kann sich diese „Lustige Witwe“ gerne ansehen.

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