Kaiserslautern Charmante Überraschungen

Zum fünften Mal war die „Nuit de la Chanson“ am Donnerstagabend im Cotton Club ausverkauft. Dass die Reihe so erfolgreich ist, verdankt sie ohne Zweifel ihrer Gastgeberin Pauline Ngoc, die auch dieses Mal mit charmanten Überraschungsgästen aufwartete. Chansons von Jacques Brel, Serge Gainsbourg oder Léo Ferré sorgten für Begeisterung.

Das Phänomen des Abends war die junge, in Nürnberg lebende Französin Dany Tollemer. Mit Leichtigkeit und einer riesengroßen Portion Charme setzte sie sich über die seit Jahrzehnten verfestigten Klischees, den Geruch von Rauch und alten Schuhen, hinweg, ohne die Geschichte des französischen Chansons von Charles Aznavour bis zu Jacques Brel zu diskreditieren. Eine Welt jenseits der Bilder pittoresker Tristesse, geschmückt von Gauloise-Dunst und getränkt in dunkelroten Bordeaux. Die aus Chatellerault stammende Sängerin vermittelte mit jedem Song, sei es „Form e formidable“ von Aznavour, „Göttingen“ von Barbara, aber auch mit eigenen Songs wie „Bluetiful“ eine emotionale Ausdruckskraft ohne jede Exzentrik. Eine junge, frische Engelsstimme mit lebendigem Minen- und Gestenspiel. Und viel Humor. Auf der ganzen Bühne ist sie in Bewegung, sie mischt sich unters Publikum, holt einen Freiwilligen auf die Bühne und kokettiert mit dem Publikum. So macht sie aus jedem Chanson ein Ereignis, einen richtig kleinen Film. Großartig ihre Interpretation von Brels „Ne quitte pas“ und „Amsterdam“, dem sie mit ihrer präzisen Artikulation, der markanten Betonung und mit ihrer nuancierten, komödiantisch dynamischen Ausdruckskraft ein ganz neues Gesicht gibt. Dem „Spatz von Nürnberg“ setzte die franko-vietnamesische Pauline Ngoc ihre kraftvolle Samtstimme entgegen. Schmerz und Heimweh flossen aus ihrer Stimme, nachdem sie den Film über das Unheil Vietnams gezeigt hatte, wo vor 40 Jahren die Amerikaner das Land verließen und den kommunistischen „Roten Khmern“ das Land überließen, wobei ihr eigener Bruder im Kampf sein Leben verlor. Zwischen Flüstern und Schrei vibrierte jeder Ton. Pauline Ngoc legte in „Bonjour Vièt Nami“ (von Pham Qrynh Anh) alle Dramatik in ihren Gesang – ohne jede Spur von Dramatik – und wies mit stimmlicher Kraft einen Weg aus der Einsamkeit. Formidable waren auch die belgischen Musiker. Ungestümes Temperament brach aus Vincenco Carduccios Akkordeon hervor. Harte Brüche und dynamische Anschläge sorgten für Kontraste. Galoppierende Rhythmen wurden von scharfkantigen Melodien überlagert. Er wagte stilistische Irritationen und holte eruptiv-vitale Qualitäten aus seinem Instrument, das wie ein kleines Orchester klang. Völlig neue Möglichkeiten des virtuosen Spiels eröffnete Guido Allgeier auf seiner Gitarre, der ein rhythmisches Feuerwerk zauberte. Bei seinen „Saitensprüngen“ vereinte er eine ausgereifte und hoch individuelle Spieltechnik mit einem feinen Empfinden für die Melodie. Als Begleiter von hoher Anschlagskultur und pianistischer Brillanz zeigten sich (weitere Überraschungsgäste) Andreas Rüsing bei Dany Tollemer sowie Ariane Vera Henneka (bei Pauline Ngoc), die fünf Jahre lang auf dem „Traumschiff“ zur musikalischen Unterhaltung beitrug. Höchst virtuos und differenziert auch wieder Michael Lakatos an der Percussion sowie Wolfgang Janischowski am Bass. Mucksmäuschenstill wurde es immer dann, wenn Ina Bartenschlager einführende Texte zu den Komponisten wie Patricia Kaas, Jacques Brel, Barbara oder Bob Dylan las. Das war brillant, weil sie aus jedem Text eine spannende Geschichte in vorzüglicher Sprache machte. Atmosphärisch starke und gestochen scharfe Fotos von RHEINPFALZ-Fotografin Isabelle Girard, die Paris von seiner weniger bekannten Seite zeigten, zauberten in den Club einen Hauch von Weltstadt. Das Publikum war begeistert und erhielt fünf Zugaben.

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