Kaiserslautern Belehrungen für den früheren Erbfeind

Ein deutscher Sandalentourist gerät in einer bretonischen Stadt ins dortige Museum und findet sich unversehens in einer AUSSTELLUNG mit bretonischer Malerei zum Thema „La première guerre mondiale“ wieder. Er träumt davon, hier die Schrecken des Kriegs sensibel entlarvt zu sehen. Ja, das erwartet er, sozusagen als mentale Urlaubsingredienz, die der sinnenfrohen Erholung eine besinnliche Stimmung hinzufügen soll. Aber Fehlanzeige! Militärkritik und abschreckende Szenarien von Leid und Not der Soldaten sowie Verhohnepipelung von lamettabehängten Veteranen finden hier nur auf zirka fünf Bildern von über 100 statt. Das ist ihm entschieden zu wenig angesichts des penetranten Uniformkults, der Verherrlichung von präzise abgemalter Kriegstechnologie und süßlicher Landserromantik, die in der Schau vorherrschen. Zuvor hat er sich schon mokiert über den ganzseitigen Faksimileabdruck der Mobilmachungserklärung vom August 1914 in einer Tageszeitung, die ihm das nicht kritisch genug kommentierte. War nicht der Erste Weltkrieg besonders für die Bretonen der blanke Horror gewesen? Waren sie nicht innerhalb des französischen Heeres wegen ihrer Sprache beargwöhnt, verspottet und für Spione gehalten worden? Diese Söhne des äußersten französischen Westens, der schon unter Karl dem Großen nicht zum Frankenreich gehört hatte, hatte man an die vorderste Front geschickt. Dort waren 240.000 (zehn Prozent der Gesamtbevölkerung) von ihnen umgekommen. Der deutsche Touri ist so empört, dass er flugs dabei ist, in gebrochenem Französisch einige geharnischte Sätze ins ausliegende Gästebuch zu schreiben. Sozusagen als postumen Retro-Anschiss über 100 Jahre hinweg. Für die unsensiblen, ahnungslosen Tröpfe und Wichte von Malern, die Kriegstreiber mit den Paletten, auf denen die Farbe „Blutrot“ offenbar fehlte. Einen richtige saftigen Denkzettel, neunmalklug und siebengescheit. Er schafft es zwar dann, sich einigermaßen „zusammenzureißen“. Und belässt es in seiner Eintragung bei einem kleinen Friedensappell der allgemeinen Art. Aber einen maliziösen schriftlichen Hinweis auf deutschen Künstlerpazifismus kann er sich nicht verkneifen. Als er sieht, dass die Museumspraktikantin seinen Eintrag durchliest und danach etwas erschrocken dreinschaut, kommt er aber dann doch ins Grübeln. Plötzlich fällt ihm auf, dass die Propagandazwänge, in denen wohl die meisten dieser Künstler steckten, umso rigider gewesen sein mussten, je aussichtsloser die Lage der bretonischen Soldaten war. Sahen sie sich nicht – mehr vielleicht als viele andere Schlachtenmaler auf den Kriegsschauplätzen der Welt – in der verzweifelten Pflicht, das militärische Gesicht der Grande Nation möglichst schönzufärben? Und was war eigentlich verwerflicher: eine solche vielleicht zähneknirschende, taktische Anpassung oder jene Kriegseuphorie, mit der viele andere – auch Künstler – blindwütig in den Tod gerannt waren, die leider dann nicht mehr dazu kamen, ihr Urteil zu revidieren und für den Frieden zu malen? Aber es war nun mal geschehen: Ein Deutscher fängt mitten im von Deutschland zweimal überfallenen Frankreich an, die Verpflichtung der Kunst auf Völkerversöhnung leicht schwafelnd zu beschwören und mit Otto Dix anzugeben. Ja, wir sind halt schon wieder die Besten und die Größten, denn wir haben ja so was von geschnallt, was Frieden ist.

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