Stadtgespräch Bei der Corona-Politik sind nun schnelle Entscheidungen gefragt

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Die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland steigt kontinuierlich, das Impftempo lässt nach, und in vielen Schulen muss wohl auch im kommenden Winter fleißig gelüftet werden. Will man die Corona-Pandemie auch in den nächsten Monaten im Griff haben, müssen jetzt Entscheidungen getroffen werden.

Erinnern Sie sich noch an den Sommer 2020? Die Corona-Infektionszahlen waren niedrig, das Leben lief fast wieder in normalen Bahnen. Und obwohl Experten eine weit schlimmere, zweite Welle vorhersagten, wurde man das Gefühl nicht los, dass die Vorbereitung darauf verschlafen wurde. Es folgten Lockdown, Homeschooling, volle Intensivstationen und dramatische Folgen in Seniorenheimen. Nun, ein Jahr später, sind die Zahlen wieder niedrig und mit Blick auf den Herbst regiert offenbar erneut das Prinzip Hoffnung. Ein Déjà-vu. Aber warum?

Seit drei Wochen steigt die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland an. In Kaiserslautern war sie binnen weniger Tage über auf 50 gesprungen. Nun wollen die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin immerhin am 10. August beraten, was zu tun ist – in zwölf Tagen. In den Niederlanden lag die Inzidenz am 1. Juli bei 24,5, 16 Tage später bei über 400. In einigen Nachbarländern ist der Wert längst wieder im dreistelligen Bereich. Noch wäre Zeit, ohne drastisch steigende Inzidenzen im Nacken Entscheidungen zu treffen. Stattdessen drohen die Politiker zu Getriebenen zu werden.

Inzidenzwert darf nicht alleiniger Maßstab sein

Apropos Inzidenzen: Völlig zurecht wird seit längerem darüber diskutiert, dass dieser Wert bei künftigen Einschränkungen nicht mehr alleine maßgeblich sein darf. Denn sollten sich wieder mehr Menschen infizieren, allerdings deutlich weniger schwere Verläufe registriert werden, dürfen damit keine Einschränkungen mehr gerechtfertigt werden. Noch ist das aber der Fall: Weil in Kaiserslautern am vergangenen Sonntag nach gestiegenen Inzidenzen schärfere Maßnahmen in Kraft traten, haben die Schausteller das Barbarossa-Land abgesagt. Mögliche Einnahmen für die gebeutelte Branche sind futsch. Das zeigt, die Politik muss sich schnell auf neue Richtlinien einigen, nach denen Beschränkungen greifen.

Längst geklärt sein könnte der Umgang mit den hier lebenden Amerikanern bei der Inzidenzberechnung. Doch statt einer Entscheidung gab es von Gesundheitsminister Jens Spahn im Juni nur die Absichtserklärung, eine Lösung für das Problem zu finden, sollte eine weitere Bundesnotbremse notwendig werden.

Impfkampagne muss wieder Fahrt aufnehmen

Eine rasche Entscheidung ist auch beim Thema Impfen notwendig: Zwar sind immerhin 61 Prozent der Menschen in Deutschland zumindest einmal geimpft, doch das Tempo lässt deutlich nach. Die Sonderimpfaktionen auf dem Kalkofen, vorm Stadion oder Supermärkten sind gut, aber sie reichen nicht aus um gegenzusteuern. Die Politik muss – Bundestagswahlkampf hin oder her – jetzt aufzeigen, was künftig für Geimpfte und Nichtgeimpfte gilt. Hatte jeder die Gelegenheit, sich impfen zu lassen, sind für Geimpfte Erleichterungen im Alltag zu rechtfertigen, etwa beim Restaurant- oder Kinobesuch, beim Reisen oder bei Großveranstaltungen. Diese Regeln müssen jetzt festgezurrt und kommuniziert werden, nicht erst, wenn sich Krankenhäuser wieder füllen. Nimmt die Impfkampagne dann erst wieder Fahrt auf, braucht es Wochen und Monate, bis das Wirkung zeigt.

Nicht bei Luftreinigungsgeräten sparen

Und wie genau soll eigentlich die nächste Runde Homeschooling für Schüler und Eltern verhindert werden? Sollen Kinder und Lehrer im kommenden Winter ernsthaft weiterhin alle 20 Minuten die Fenster aufreißen? Dass die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion der Stadt Kaiserslautern bescheinigt, aufgrund klammer Kassen nicht nach Belieben Luftreinigungsgeräte anschaffen zu können, mag haushaltsrechtlich korrekt sein. Mit Blick auf die Gesundheit der Kinder und die Bedingungen, unter denen sie lernen, ist das die falsche Entscheidung. Die Pandemie kostet Deutschland viel Geld, an den Kindern und ihrem Zugang zu Bildung darf nicht gespart werden.

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