Kaiserslautern Angekommen in der Zukunft

Vor einem Vierteljahrhundert waren Mobiltelefon und Internet eine Sache für wenige Spezialisten, die digitale Revolution in ihren Ausmaßen kaum zu erahnen. Doch in der Welle ambitionierter Kulturprojekte in Baden-Württemberg wurde damals in Karlsruhe eine Institution gegründet, die sich mit dem Verhältnis der Kunst zu den modernen Medien beschäftigen sollte. Ihr Aufgaben- und Wirkungsspektrum ist in 25 Jahren denn auch gewaltig gewachsen. Eine einmalige Einrichtung ist das ZKM geblieben.

Gründungsort war das Karlsruher Rathaus, denn ein eigenes Domizil hatte das ZKM, das Museum und Forschungsstätte gleichermaßen sein sollte, noch nicht. In Zeiten voller öffentlicher Kassen im wirtschaftlich prosperierenden Südweststaat war ein ehrgeiziges architektonisches Projekt angedacht: ein gigantischer Würfel südlich vom Hauptbahnhof, entworfen vom niederländischen Stararchitekten Rem Koolhaas. Doch die staatlichen Mittel flossen bald spärlicher, das geplante Bauwerk wurde zu teuer und ad acta gelegt. „Ersatz“ wurde in den Hallen der ehemaligen IWKA-Fabrik an der Brauerstraße gefunden. In der gigantischen Industrieruine hatten sich freie Künstler angesiedelt. Mitte der 1990er wurde der Hallenbau A mit seinen zehn Lichthöfen für das ZKM umgebaut. Einen Lichthof bekam die Städtische Galerie, andere wurden für die noch in der Planung befindliche Hochschule für Gestaltung und das als Sammlermuseum angedachte Museum für Neue Kunst „aufgespart“. 1997 bezog das ZKM seinen Bau. Das heißt freilich nicht, dass die ersten acht Jahre im Verborgenen verbracht wurden. Der Gründungsdirektor Heinrich Klotz, renommierter Kunst- und Architekturhistoriker (unter anderem an der Uni Marburg) und Leiter des Frankfurter Architekturmuseums, hatte an verschiedenen Orten in der Stadt „Multimedialen“ genannte Festivals veranstaltet, bei denen Objekte der entstehenden Sammlung und Performances zu erleben waren. Bei denen war dann schon zu erkennen gewesen, in welche Richtung die Arbeit gehen wird. Das ZKM dokumentiert die wichtigen Werke der Medienkunst, nicht zuletzt ihre Anfänge zum Beispiel in Gestalt von Nam June Paik, stellt aktuelle Trends vor – und es versteht sich als geistiger Wegbereiter und Begleiter neuer Entwicklungen, die in die Zukunft führen. Das ZKM beherbergt denn auch neben dem großen Medienmuseum verschiedene Institute, die sich bewahrend und befördernd mit Medienkunst befassen. Ein eigenes Institut widmet sich elektronischer Musik. Und es gibt als modernen Vorbau am ZKM-Eingang den Kubus mit einem Konzertsaal, der mit dem Klangdom über eine weltweit einzigartige Anlage aus 35 Lautsprechern zur Wiedergabe elektronischer oder akusmatischer Musik verfügt. Eng ist die Zusammenarbeit mit der 1992 gegründeten und unmittelbar benachbarten Hochschule für Gestaltung, deren Rektor der Philosoph Peter Sloterdijk ist und an der schon viele erstrangige Wissenschaftler und Künstler unterrichteten. Das 1999 als eigenständige Einrichtung unter Leitung des anerkannten Kunsthistorikers Götz Adriani eröffnete Museum für Neue Kunst ist seit 2004 ein Teil des ZKM und Ort viel beachteter Sonderausstellungen. Vorstand des ZKM und seit 15 Jahren dessen prägende Figur ist der österreichische Medienkünstler und -theoretiker Peter Weibel, der nach dem frühen Tod des Gründungsdirektors Heinrich Klotz 1999 an die Spitze des ZKM berufen wurde. Der im März 70 Jahre alt gewordene Weibel, international anerkannt und bestens vernetzt, hat das ZKM zu einem geistigen Zentrum entwickelt, in dem die Zukunft – zumindest die der Medienkunst – schon heute gemacht wird. Dort wird über die digitale Welt von heute und morgen und deren kulturelle und künstlerische Relevanz gewiss so intensiv und progressiv nachgedacht wie an kaum an einem anderen Ort rund um den Globus.

x