Kaiserslautern Regelrecht in den Rausch gespielt

Großartige Teamleistung: die Uni-Bigband im Audimax.
Großartige Teamleistung: die Uni-Bigband im Audimax.

Ein „Nicht-Weihnachtskonzert“, so betonte der Leiter der Uni-Bigband Thomas Weithäuser, wolle seine Formation präsentieren. Ein bisschen weihnachtlich klang das Konzert am Sonntagabend im Audimax der Technischen Universität dann aber doch, denn neben Swing und Latin gab es auf dem Gabentisch herrliche Balladen, denen der festliche Anstrich nicht abzustreiten war.

Ein kleines Heben der Augenbraue als Zeichen der Verwunderung ist angebracht. Thomas Weithäuser, jener so gut beleumundete Bigband-Leiter, gibt ein Konzert mit Balladen-Standards. Wo soll das hinführen? Direkt in die Mainstream-Abteilung? Wer freche Arrangements oder moderne Interpretationen erwartet, liegt daneben. Mit „alten Hasen“ und „jungen Gipfelstürmern“ im Hintergrund verlässt sich der Bandleader auf sein melodisches Gespür. Was auf Anhieb altbacken anmutet, entpuppt sich als akustische Attraktion. Die 24-köpfige Formation macht kaum Außergewöhnliches, aber das Bekannte handwerklich meisterhaft. Geschmack, Erfahrung und Teamgeist sind hier zu bewundern. Die Ballade „Freckle Face“ von Samy Nestico plätschert wie Whisky im langsamen Tempo. Hat was von erwachsen werden: Sie zwingt nicht nur den Drummer, sondern auch die Blechbläser sich ganz zurückzunehmen zugunsten eines paradiesischen, nicht allzu lauten Miteinanders. Sie bezieht ihre Kraft aus zwei Hauptelementen: dem ausgereiften Sinn für Struktur und Form und der fortgeschrittenen, kühnen Behandlung des Klanges. Der Hörer erfährt die düster-dynamische Wirkung des Ensembles im Unisono. Das thematische Material ist ein einfaches Motiv, das langsam entwickelt wird und im Zuge dieser Abwandlung Ergänzungsthemen hervorbringt. Man kann nicht genug bewundern, was die Band aus so einem bescheidenen Stoff durch souveränes Musizieren herausholt. Dabei rufen hier die Blechbläser immer wieder messerscharfe, energetische Explosionen hervor. Und um den lebendigen Schwung des Stückes nicht zu überanstrengen, werden verzögernde Gegenrhythmen eingeführt, um dann wieder das Orchester zur befreienden Vorwärtsbewegung anzutreiben. Diese sich überlagernden Rhythmen, Polyrhythmik genannt, sind das treibende Element des Bigband-Jazz. Ein anderes Element der Jazzballade ist das Understatement, das der Vokalist Rolf John beispielhaft verkörpert. Bei Titeln wie „Angel Eyes“ (Matt Harris) intoniert er reserviert und strahlt gleichzeitig intensive menschliche Wärme und absolute Coolness aus. Ihre Stimme wie ein Instrument behandelt Katja Welck-Möhnen in „Anchor Song & Joga“ von Björk und „Gentle Piece“ von Kenny Wheeler. Sie zeigt viel Sensibilität und Musikalität, und sie schwingt sich dabei zu Tönen von ekstatischer Reinheit auf. Das Faszinierende dabei ist: Während die Vokalistin mit herrlich gebundenem Legato-Gesang besticht, baut die Band ihre Dynamik nach dem Zwiebelprinzip auf: Nach dem anfänglichen A-cappella-Gesang wird das Stück mit den nach und nach hinzutretenden Rhythmikern und Bläsern immer intensiver und endet schließlich mit den jubilierenden, schneidenden Riffs und peitschenartigen Linien der Trompeten. Ansonsten legte die Band ihre ganze Empfindsamkeit offen. Dabei steigerte sie sich zu emotionalen Strudeln, in die man hineingezogen wurde. In dem Swing-Titel „Missing Thooth“ von Doug Beach spielt sie sich in einen wahren Rausch. Wie auch bei dem Salsa „Cabeza de Carne“ von Matis Harris, den Weithäuser dem am vergangenen Mittwoch verstorbenen Viktor Loos, Bandleader der Bigband der Hochschule, gewidmet hat. Nur dass die Jazzer von der straffen Mannschaftsdisziplin dann wieder eingefangen wurden. Die großartigen Solisten Tobias Weber (Trompete) und Maximilian Kohns (Altsaxophon) dialogisierten in Steno-Kürzeln, und auch bei dem fingerfertigen Gitarristen Mathias Roth, dem flinken Schlagzeuger Dominic Schmitt, dem die Tasten traktierenden Philipp Huchzermeier sowie dem intensiv blasenden Trompeter Philipp Schmitt kamen fingerschnippender Swing und federnde Phrasierung nicht zu kurz. Lang anhaltender Applaus.

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