Kaiserslautern Mit dickem Pinselstrich

Das 4. Konzert der Reihe „À la carte“ erlebte am Donnerstag im SWR-Studio nicht nur stilistisch, sondern auch interpretatorisch zwei völlig verschiedene Klangwelten.

Chefdirigent Pietari Inkinen führte zunächst mit der Karelia-Ouvertüre seines Landsmannes Jean Sibelius in den geografischen und sagenumwobenen Grenzbereich Kareliens zwischen Finnland und Russland, wohin Sibelius einst seine Hochzeitsreise führte. So besteht diese schillernde und schildernde Musik der Karelia-Ouvertüre im spätromantischen Stil aus einer Ouvertüre in Sonatenhauptsatzform (wie ein Sinfoniesatz), die als Besonderheit drei Themen verarbeitet. Die haben bukolisches, idyllisch- lyrisches Kolorit im finnischen Volkston und auch tänzerische Rhythmen. Klanglich wirkt der farbig instrumentierte Orchesterpart bisweilen wie eine Orgelfantasie, wenn zu einem schwebenden Grundklang mitteltöniger Register der Klang durch stetiges Hinzuziehen von Registern sich verdichtet und steigert bis das volle Plenum mit ekstatischen Höhepunkten erreicht wird. Diese Klangwirkung reizte das Orchester aus verhaltenen Klangteppichen der Streicher bis zu bombastischen Steigerungen mit Blech und Schlagwerk konsequent und stringent aus. Allerdings durchaus im Einklang mit den Partiturangaben und unter Berücksichtigung der akustischen Verhältnisse. Die Interpretation baute klangliche Spannung auf, entfaltete mitreißende Wirkungen und hatte in den filigranen Passagen der hohen Streicher und Holzbläser ihre Kontraste. Anders dagegen bei Mozarts Violinkonzert in A-Dur mit dem hoch veranlagten, erst 18-jährigen Nachwuchssolisten Daniel Lozakovich aus der Meisterklasse vom Karlsruher Geigenprofessor Josef Rissin. Zwischen Orchester- und Solopart gab es keinen interpretatorischen Konsens, wohl aber harmonische Synchronisation der Abläufe. In der Werkauffassung kultiviert der hochsensibel, feinsinnig und filigran gestaltende Solist einen sehr nuancierten und sehr plastischen Stil, der unbedingt schlüssig und präzise wirkt. Das Orchester spielte hier zu robust, etwas – salopp formuliert – rustikal und resolut. Bildhaft ausgedrückt, neigte der Orchesterpart zu dickem, klecksendem Pinselstrich, vollgetaucht in üppige, Farben und der Solist ziselierte mit feinster Federzeichnung in Akkuratesse und Noblesse. Ob dieser Kontrast nun gewollt, reizvoll als Kontrast und Bereicherung aufzufassen ist oder als fehlende interpretatorische Übereinstimmung, bleibt Ansichtssache. Ebenso ist auch die sonst vorbildliche Werkeinführung der Moderatorin Sabine Fallenstein an diesem Punkt der Violinkonzerte von Mozart diskussionswürdig, wenn von fehlender Virtuosität die Rede ist und hier eine Textstelle aus einem Mozartbrief als Beleg herangeführt wird. Natürlich sind die vermutlich sieben Violinkonzerte keine Bravourstücke wie die Capriccen von Paganini, von denen das 24. als Zugabe in Darstellung allerhöchster Brillanz vorgeführt wurde. Und doch schreibt Hans Renner in seinem Konzertführer berechtigterweise, dass sie „dem Virtuosen dankbare Aufgaben bieten.“ Nicht umsonst sind die Mozartkonzerte Pflichtstücke für Studium, Prüfung, Wettbewerb und Orchesterbewerbung. Zumal Daniel Lozakovich nach jedem Satz virtuose Solokadenzen – der damaligen Aufführungspraxis entsprechend – einbringt. Diese verarbeiten thematisches Material mit brillantem Laufwerk. Der Spielwitz des Rondo, die sangliche Melodik des Kopfsatzes und die ariosen Melodiebögen des Adagio können nur gelingen, wenn ein Solist mit absolut sicherer Souveränität bei Beherrschung aller grifftechnischen Finessen im Einklang mit geschmeidiger Bogenführung agiert. Und dies war bei ihm absolut der Fall, dazu in superber tonlicher Ausgewogenheit und bei schlankem, beseelten Ton.

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