Kaiserslautern „Kein Verein alter Männer“

„Es darf keine Tabus geben. Die Partei kommt auf den Prüfstand“: der SPD-Stadtverbandsvorsitzende Oliver Guckenbiehl.
»Es darf keine Tabus geben. Die Partei kommt auf den Prüfstand«: der SPD-Stadtverbandsvorsitzende Oliver Guckenbiehl.

Der Kaiserslauterer SPD-Stadtverbandsvorsitzende Oliver Guckenbiehl sieht den Erneuerungsprozess in seiner Partei als eine Graswurzelbewegung von unten nach oben. Im Vorfeld des SPD-Parteitags am Freitag (18.30 Uhr, Stiftskeller), auf dem er sich wieder zur Wahl als Vorsitzender stellt, sagte Guckenbiehl: „Es darf keinen Prozess von oben nach unten geben.“ Der Parteichef kündigte im Interview mit unserem Redakteur Hans-Joachim Redzimski eine bessere Einbindung des Nachwuchses und die kontinuierliche Fortsetzung der Parität zur Kommunalwahl 2019 an.

Die SPD sieht bundesweit einen Erneuerungsbedarf für sich. Wie erneuerungsbedürftig ist die SPD in Kaiserslautern?

Die Sozialdemokratie in ganz Europa steht vor einem Erneuerungsprozess. Die Definition, dass die SPD ausschließlich eine Partei für Arbeiter sein soll, reicht heute nicht mehr aus. Wir müssen eine Partei des Fortschritts und der Zukunft sein. Gleichwohl gilt es, insbesondere auf die sozialen Belange acht zu geben. Die Kluft zwischen arm und reich darf nicht größer werden. Was passiert mit Arbeitsplätzen in einem fortschreitenden digitalen Zeitalter? Wie gehen wir mit gesellschaftlichen Problemen, die teils auf unseren Straßen ausgetragen werden, um? Auf diese Fragen und viele mehr muss die Sozialdemokratie bundesweit, aber auch in Kaiserslautern neue Antworten geben. Wie wollen Sie den Erneuerungsprozess angehen? Es darf keine Tabus geben. Die Partei kommt auf den Prüfstand. Wir müssen uns ein Stück weit neu erfinden. Wir werden den intensiven Dialog mit unseren Mitgliedern, mit unseren Wählern, aber auch mit Bürgerinnen und Bürgern führen müssen, die uns derzeit nicht mehr wählen. Welche inhaltlichen Vorstellungen haben Sie für den Erneuerungsprozess in der Kaiserslauterer SPD? Es wäre falsch, Vorstellungen zu äußern, bevor wir die eigenen Mitglieder zu Wort kommen lassen. Es darf keinen Prozess von oben nach unten geben. Ein solcher Prozess kann nur wie eine Graswurzelbewegung von unten nach oben funktionieren. Was jedoch vom Stadtverbandsvorstand in Kaiserslautern bereits zur Kommunalwahl umgesetzt werden soll, ist die bessere Einbindung des Nachwuchses und die kontinuierliche Fortsetzung der Parität. Die SPD ist kein Verein alter Männer. Die SPD ist ein Abbild der Gesellschaft. Ob jung, ob alt, ob Frau oder Mann, gleich welcher Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung. In der SPD findet jeder seinen Platz. Inwieweit soll der Erneuerungsprozess auch personell in der SPD Kaiserslautern begleitet werden? Das ist keine Aufgabe einzelner Personen. Hier sind wir alle gefordert. Jeder für sich und alle gemeinsam. Kommt der Erneuerungsprozess bei der bevorstehenden Neuwahl des Vorstands bereits zum Ausdruck? Sollten die Satzungsänderungen angenommen werden, wird auch für den Vorstand eine Jugendquote eingeführt. Ferner soll der Vorstand mehr als bisher von ehrenamtlichen Vertretern der Ortsvereine besetzt werden, da die kommunalen Wahlbeamten wie der Oberbürgermeister, die Bürgermeisterin und der Fraktionsvorsitzende geborene Mitglieder des Vorstandes werden und die Plätze somit für die Vertreter der Ortsvereine frei werden. Sehen Sie die vorgeschlagene Wahl von Petra Janson-Peermann als stellvertretende Vorsitzende (statt Bürgermeisterin Susanne Wimmer-Leonhardt) und die vom Vorstand empfohlene Nominierung von Daniel Stich (statt dem derzeitigen Europaabgeordneten Michael Detjen) als Europakandidat auch unter dem Gesichtspunkt der Erneuerung? Die Empfehlung zugunsten von Daniel Stich als Europakandidaten war sicherlich auch eine Empfehlung zur Erneuerung der europäischen SPD. Das waren die Grundlinien seiner Vorstellung im Stadtverbandsvorstand. Vor dem Hintergrund der Erweiterung des Vorstandes wird Susanne Wimmer-Leonhardt bei Annahme der Satzungsänderungen weiterhin dem Vorstand mit Stimmrecht angehören und ist mit ihrem Sachverstand und ihrer hervorragenden Arbeit als Bürgermeisterin eine Bereicherung, die wir sehr schätzen. Die Nominierung von Petra Janson-Peermann ist vielmehr eine organisatorische Veränderung. Sie findet meine uneingeschränkte Unterstützung. Janson-Peermann zeichnet sich durch ihre Bildungsarbeit und ein Talent für neue Ideen geradezu aus, deren Fähigkeiten wir für das kommende Wahljahr gerne aufgreifen. Wird sich der Erneuerungsprozess auch auf der Kandidatenliste für den Stadtrat 2019 niederschlagen? Durch eine Einführung einer weiteren Jugendquote für die Stadtratsliste werden Mitglieder, die ihr 35. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, zusätzlich abgesichert. Es wird nicht einfach, eine Liste vorzuschlagen, in der die jeweiligen Stadtgebiete und Stadtteile gleichermaßen berücksichtigt werden, wie auch die inhaltlichen Auswahlkriterien und die bundesweite Wahlordnung der Partei, die eine alternierende Reihung von Frauen und Männern nach dem Reißverschlussprinzip vorschreibt. Jedoch bin ich zuversichtlich, dass wir auch für die kommende Kommunalwahl eine starke Liste im Herbst präsentieren können. Mit welchem Anspruch gehen Sie ins Kommunalwahljahr 2019? Das ist klar. Wir stellen den Anspruch, erneut die stärkste Fraktion im nächsten Stadtrat zu stellen.

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