Kaiserslautern Glasklare Sicht auf eine niedlich-bescheuerte Spezies

„Mensch, Leute“: Jan Philipp Zymny im Cotton Club.
»Mensch, Leute«: Jan Philipp Zymny im Cotton Club.

„Wer mit dem Menschen auskommen will, darf nicht zu genau hinsehen“, sagte der Schriftsteller Otto Flake. Jan Philipp Zymny sieht genau hin. Der Komiker mit Physikstudium und zwei Poetry-Slam-Meistertiteln in der Tasche kam am Dienstag mit seinem dritten Bühnenprogramm „How to Human?“ in die Kammgarn und ging dem Phänomen Mensch auf den Grund.

Das Wort ,,Ausverkauft!“ zierte das Schild zum Cotton-Club-Eingang. Für Jan Philipp Zymny nicht der erste und sicherlich nicht der letzte Gig dieser Art. Der sympathische Wuschelkopf aus dem Ruhrgebiet hat – minus fünf Dioptrien sei Dank – eine nagelneue Brille verschrieben bekommen, die ihm eine neue und glasklare Sicht auf die Welt und ihre kleinen feinen Eigenheiten eröffnet. Mit dem richtigen Durchblick geht er nun auf Expedition rund um das Mysterium Mensch, immer die Fragen im Blick: Was ist ein Mensch? Und wie funktioniert er? Zymny erforschte gleich mal eine der kuriosesten Eigenheiten: „Hallo“ sagen als Gesprächseinleitung. Nur „weiß keiner, wie es nach ,Hallo` weitergeht. ,Hallo` impliziert keine Richtung, sondern reines Potenzial. Es ist also nur logisch, dass man nach ,Hallo` sofort wütend wird.“ Die Lösung wäre, „Hallo“ wegzulassen und zum Punkt zu kommen. Aber so tickt der Mensch nun mal nicht; er braucht ineffizientes Denken und Tun, um zu funktionieren. Deshalb baut er kompliziert verstrickte Eselsbrücken, um sich Simples merken zu können. Der Mensch braucht „ein gewisses Maß an Unsinn im Kopf, sonst wäre es ja langweilig“, folgert Zymny. Das meint er aber gar nicht zynisch – im Gegenteil. „Ich finde uns Menschen als Spezies furchtbar niedlich.“ Besonders niedlich: was Menschen tun, wenn sie unzufrieden sind. „Sie treffen sich mit anderen, die auch unzufrieden sind, malen bunte Schilder, halten die hoch und sagen im Chor kleine und möglichst unkomplizierte Gedichte auf.“ Kurz: Man geht demonstrieren. Nur geht niemand hin und ruft: „Merkel ist eine Kanzlerin, die manches gut und manches schlecht macht!“ Nein, „Merkel muss weg“ liege einfach besser im Ohr. Denn bei all der Niedlichkeit „sind wir Menschen eben auch sehr lange sehr gut darin, scheiße zueinander zu sein“, bemerkte der 25-jährige Wuppertaler fast schon altklug. Tatsächlich scheinen wir uns gerade auf dem Gipfel der „menschlichen Arschlöchrigkeit“ zu befinden, meint Zymny. Denn obwohl der Mensch es eigentlich besser weiß, führt er Krieg gegen andere aufgrund ihrer Andersartigkeit – was Zymny mit Powerpoint-Präsentation zum Thema „Krieg – ein Erklärungsansatz“ mit Strichmännchen und eindeutig unterschiedlichen Hüten veranschaulichte. Klingt im ersten Moment so, als wolle er bald das weite Feld des Polit-Kabarett betreten. Aber mitnichten. Sein Programm kommt ganz ohne die von klassischen Polit-Kabarettisten zerbeulte Moralkeule oder abgenutzte Parteien-Witze aus. Es geht nicht um den Menschen als politisches Wesen, sondern um den Menschen als rein soziales Wesen – mit dem außerordentlichen Talent, zur gleichen Zeit und in gleichem Maße niedlich und „arschlöchrig“ zu sein. Wenn Zymny eines bewiesen hat, dann, dass der Mensch ein komplexes und kompliziertes Wesen ist – und sein muss. Im Wechsel von intelligent-infantilem Nonsens-Humor zu ernsthaften Denkanstößen kam der Komiker zu der Erkenntnis, dass zwischen Menschsein und Menschlichkeit manchmal eine tiefe Kluft besteht und dass genau diese Kluft den Menschen erst zum Menschen macht – in einer Welt, in der ein humanoider Roboter namens „Atlas“ bereits aufrecht gehen kann. So gesehen, erhielt der Zuhörer von Jan Philipp Zymny ein letztlich doch recht erfreuliches Zeugnis als Resultat eines lustigen Fragebogens ausgestellt: „Herzlichen Glückwunsch, sie sind ein Mensch.“

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