Kreis Kaiserslautern Die Sonne bestimmt den Zeitplan

Sandra Guhl ernährt ein Kälbchen mit sogenannter Biestmilch aus dem Eimer. Eigentlich ist Sohn Dominik für diese Arbeit zuständi
Sandra Guhl ernährt ein Kälbchen mit sogenannter Biestmilch aus dem Eimer. Eigentlich ist Sohn Dominik für diese Arbeit zuständig, aber der muss Arbeit auf dem Feld verrichten, da Vater Karl-Heinz Guhl nach einer Operation sein Bein schonen muss.

«Gerhardsbrunn.» Im Frühling rollen die Schlepper im Akkord – ohne Karl-Heinz Guhl. Der Landwirt ist nach einer Operation am Bein schachmatt gesetzt. Nun muss er die Geschicke des Hofs vom Hause aus lenken.

Es hatte alles so gut gepasst. Die neuen Teile für das Hühnerhaus waren für Anfang April angekündigt. Alles war arrangiert, die Hühner umquartiert, Arbeitskräfte gebündelt. Dann kam die Nachricht, dass sich alles verschiebt. Ärgerlich. Brummt doch nun die Arbeit rund um den Bauernhof. Dominik und Lukas Guhl säen Sommergerste, fahren Mist und Gülle, sind am Düngen und bringen – wo es geboten ist – Pflanzenschutz aus. Auch werden die Felder für die Maisaussaat vorbereitet. Spielt das Wetter mit und der Boden kann sich erwärmen, werden die Maiskörner etwa in der letzten Aprilwoche in die Erde gebracht. Zeit für den Umbau am Hühnerhaus bleibt nun nicht mehr. „Der Planet gibt uns vor, was draußen passiert“, bringt Landwirt Karl-Heinz Guhl auf den Punkt, dass sich im Moment alles der Sonne unterzuordnen hat. Sie bestimmt das Wachstum, da muss jedes Zeitfenster für die Feldarbeit ausgenutzt werden. Umso unruhiger sitzt er derzeit in der Küche des Hauses und schont sein Bein. Ein Arbeitsunfall hat zur Operation geführt und zwingt ihn, innezuhalten. Dank der Betriebshilfe müssen sein Sohn Dominik und seine Frau Sandra den Ausfall nicht alleine kompensieren. Neffe Lukas hilft zwar wo er kann, aber seine Masterarbeit, die der Agrarwissenschaftler gerade schreibt, fordert ihn eben auch. Deshalb springt Denis Haack, ein junger Landwirt aus Zweibrücken, als Betriebshelfer ein. Vermittelt hat ihn der Maschinenring. „Ein Glücksfall“, nennt ihn Karl-Heinz Guhl, kann aber seine Sorgen um die Schlepperfahrten auf der hangigen Gemarkung rund um Gerhardsbrunn nicht ganz verbergen. „Wir fahren zu 80 Prozent am Hang, da muss man viel richtig machen.“ Im Kuhstall hat er bei der Besamung der Kühe vor rund 280 Tagen ganz viel richtig gemacht. Das beweisen das zweitägige Bullenkälbchen und das ganz frisch geborene Kuhkälbchen, um die sich Sandra Guhl kümmert. „Normal ist Dominik für die Kälber da“, verweist sie auf die Zuständigkeit des Sohnes. Der folgt aber derzeit dem „Ruf des Planeten“ und ackert auf dem Feld. Dominik Guhl stellt den Kälbern so viel Biestmilch zur Verfügung, wie sie wollen. Damit bei dieser Ad-libitum-Fütterung die Milch im Eimer nicht verdirbt, wird sie angesäuert. „Es wäre schon schöner, wenn das Kalb bei der Kuh bleiben könnte“, fühlt Sandra Guhl mit den jungen Tieren. Das geht aber nicht, die Guhls leben ja auch vom Milchverkauf. In Gerhardsbrunn ist die Problematik der Bullenkälber, die „nichts wert“ sind, längst angekommen. Wenn für ein 14 Tage altes männliches Kalb aus einer milchbetonten Rinderrasse nur 50 Euro auf den Tisch gelegt werden, dann hat es mit jedem Lebenstag Kosten verursacht. Ein Dilemma, an dem Verbraucher mit dem Hang zum billig Einkaufen großen Anteil haben. „Jedes Tier hat seinen Wert“, sagen die Guhls und suchen Wege aus der Misere der „verramschten“ Kälber. Das Kuhkälbchen soll einmal die Milchviehherde verstärken, das kleine Bullenkalb bleibt auf dem Hof, wird aufgezogen, geht mit etwa zwei Jahren auf den Schlachthof. Aber in diesen beiden Jahren soll er es gut haben. Der prächtige kleine Bulle stammt aus einer Anpaarung, in der das fleischbetonte Fleckvieh steckt. Andere Kälber auf dem Hof haben einen Weißblauen Belgier, eine Fleischrasse, als Vater. Trotzdem, alle Bullenkälber können nicht bleiben, einige holt der Händler ab. „Das ist auch ein Platzproblem“, sagt Landwirt Guhl. Deshalb setzt er manchmal auch ganz gezielt sogenanntes gesextes Sperma ein. Das ist Sperma, das nur X-Chromosomen enthält, die die weiblichen Gene tragen, und keine Y-Chromosomen. Erst seit ein paar Jahren ist die Unterscheidung der Chromosomen aufgrund des Gewichts möglich und die Bestimmung des Geschlechts der Kälber damit vorab möglich. Ein Vorteil für die Landwirte.

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