Grünstadt Ring für Ring wächst der Turm

An der Baustelle bilden Schwerlasttransporter eine lange Schlange. Jeder Brummi aus dem niedersächsischen Landkreis Oldenburg hat eine Beton-Halbschale, Teil eines Turmsegments, auf dem Auflieger. „Meine wiegt rund 31 Tonnen“, sagt ein Fahrer. Ein anderer übertrumpft ihn: „Ich hab’ 41 Tonnen dabei.“ Die Männer haben gerade Zeit für Späßchen. Geduldig warten sie neben ihren langen Wagen, die ordentlich in einer Reihe auf dem Wirtschaftsweg parken, bis sie ihre Last loswerden. Derweil hat der Führer des mächtigen Raupenkrans neben dem zusehends wachsenden Turm, an dem sich später in 135 Metern Nabenhöhe riesige Flügel drehen werden, alle Hände voll zu tun. Es ist ein ziemlich einsamer Job – da oben in der Kabine. Sein Arbeitsgerät mit dem 160-Meter-Ausleger, das in 40 Transporten zur Baustelle gebracht wurde, ist beeindruckend stark. Es hat keine Probleme damit, den am Boden vormontierten Maschinenkopf mit seinen stolzen 250 Tonnen zur Turmspitze schweben zu lassen. Dort oben wird der verschleißarme Ringgenerator sieben Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr erzeugen. „Plus x“, quantifiziert Valentin Beckmann von der fünfköpfigen Betreibergesellschaft „Kiwi“ (Kindenheimer Windkraftanlage I und II) die Erwartungen in die Drei-Megawatt-Anlage der in Aurich ansässigen Enercon GmbH. Noch aber dreht sich nichts. Zunächst müssen 19 Betonringe – die größten davon jeweils zusammengesetzt aus den eingangs erwähnten Halbschalen – und ganz oben vier Stahlsegmente aufeinandergesetzt werden. Zur Stabilisierung werden Stahlseile gespannt. Das Fundament des rund sechs Millionen Euro teuren Windrads liegt nicht exakt dort, wo der Vorgänger fußte. „Das war wegen der Montagetechnik nicht anders möglich“, sagt Beckmann. Die Altanlage – im Vergleich zur neuen „niedliche“ 60 Meter hoch – wurde komplett rückgebaut und verwertet. Muttererde liegt jetzt an der Stelle. „Das wird wieder Agrarfläche“, erläutert Beckmann. Nach Widerständen in der Bevölkerung hat er vom Repowering seines Windrades „Schönblick“ in Biedesheim Abstand genommen und konzentriert sich jetzt auf die Aufrüstung der Kindenheimer Anlagen. „Kurz nach der Wende lernte ich in der Nähe des thüringischen Eisenbergs einen Ingenieur kennen, der eine Windkraftanlage gebaut hat. Die Idee ließ mich nicht mehr los“, erinnert sich Valentin Beckmann. Von 1993 bis 1995 habe er Windmessungen gemacht, auch Gutachten erstellen lassen. „Die Ergebnisse haben mich darin bestärkt, das Projekt anzupacken.“ Er nahm eine erkleckliche Summe in die Hand – wie viel, mag er nicht verraten – und ab 1996 erzeugte er mit dem Windrad Schönblick durchschnittlich 900.000 kWh Energie pro Jahr. Daraus ergab sich, nach Tilgung der Kredite und Erreichen der Gewinnzone, eine Gewerbesteuerzahlung von 6000 bis 8000 Euro – für die Standortgemeinde. Doppelt so viel erhielt Kindenheim dank der zwei gleichgroßen Anlagen, die 1999 auf dem Kahlenberg errichtet wurden. Nach der Aufrüstung auf die fünffache Nennlast werden sich die Einnahmen auf ein Vielfaches steigern – und da die Betreiber im Ort ansässig sind, fließt die Gewerbesteuer der Kommune zu 100 Prozent zu. Weil die Einspeisekapazitäten auf dem Kahlenberg mit derzeit 15 Windrädern ausgeschöpft sind, werden noch zehn Kilometer Leitungen verlegt. Zusammen mit der Juwi AG, Wörrstadt, und der Ortsgemeinde Biedesheim kommen drei dicke Kabel in die Erde, die den Strom zum Umspannwerk Kerzenheim bringen. (abf)

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