Grünstadt Rauschende Romantiksternstunde

Selten genug gibt es in Grünstadt Gelegenheit, das stets fesselnde Klavierspiel der Kirchheimer Pianistin Birgitta Lutz zu erleben. Am Dienstag war es so weit: Birgitta Lutz lud in den Saal der Akademie in der Bahnhofstraße und präsentierte dort zusammen mit der jungen spanischen Cellistin Adriana Valeria Sena Alcover, die ihr Studium derzeit in Mannheim abrundet, ein spannungsvolles, reiches Romantikprogramm, das sie und die knapp 100 Zuhörer überdies zu einer politischen Botschaft nutzten: Die am Ausgang gespendeten beachtlichen 1631 Euro stellte Lutz in voller Höhe der „Leininger Initiative gegen Ausländerfeindlichkeit“ für ihren Deutschunterricht zur Verfügung.

Auch wenn die optischen und akustischen Gegebenheiten im Akademiesaal nicht die allerbesten sind – musikalisch geriet das Konzert zur Sternstunde. Der Beginn: das Allegro appassionato op. 43 von Camille Saint-Saëns, ursprünglich für Cello und Orchester, ein temperamentvolles rhapsodisches Werk, gar nicht leicht zu spielen. Adriana Valeria Sena Alcover zeigte von Anfang an, dass sie ihr Instrument technisch vollkommen beherrscht. Auch im rasanten Tempo kamen alle Einzelheiten exakt und klanglich erfreulich. Das lenkte die Höraufmerksamkeit sofort auf den Klavierpart. Der kam ungemein vielschichtig daher, mit immer neuen Ausdrucksnuancen klug gespielt, mit einer elegant schillernden Variation der Farben. So zu spielen, das muss der jungen Cellistin im Lauf ihres künstlerischen Lebens durchaus noch zuwachsen, und man darf nach dem Gehörten zuversichtlich sein, dass dies auch geschehen wird. Das zweifellos anspruchsvollste, komplexeste Werk des Abends war Edvard Griegs durchaus gegensätzlich beurteilte Sonate a-Moll EG 115, neben einem frühen Intermezzo, das einleitend glänzend gegeben wurde, das einzige Werk des Norwegers für Cello und Klavier. Das Pathos, die elegischen Stimmungen der Sonate sind eindeutige Affekte, und Grieg hat keine Angst davor, dass er übertreiben könnte. Sena Alcover und Lutz nahmen diese Herausforderung ernst. Das Allegro agitato funktionierte hervorragend, weil beide Partner starke Aufgaben hatten und sich dem Wettstreit stellten. So geriet der erste Satz zu einer Begegnung von großer Wucht, mit wunderbaren Steigerungen, wo beide Solistinnen als kraftvolle Gestalter einander ebenbürtig wurden. Das Andante molito tranquillo, elegisch und sehnsuchtsvoll, wurde schön gebracht, und das abschließende Allegro geriet zu einen Feuerwerk vor allem des farbenreich-kraftvollen und dabei immer klar durchschaubaren Klavierspiels. Grieg konnte sich nicht genug damit tun, sein schönes Thema immer wieder zu bringen, und man hätte seiner überdrüssig werden können, wenn Grieg nicht so wunderschöne Seitenepisoden raffiniert eingeflochten hätte – die der Hörer indes nur genießen konnte, weil die Pianistin sie mit delikatem Klangsinn so schön vom Rest des Satzes abhob. Ein großes Vergnügen. Nicht ganz so packend: drei Fantasiestücke op. 73 von Robert Schumann. Das war, wie Birgitta Lutz in einer ihrer ebenso amüsanten wie informativen Moderationen sagte, wegen der vielen plötzlichen Stimmungswechsel keine leicht zu interpretierende Musik. Während Birgitta Lutz diesen Aspekt mit reicher Ausdrucksvielfalt auszukosten suchte, setzte Sena Alcover mehr auf schnellen, virtuosen Vortrag, so dass alles etwas neutral wirkte. Ganz nach ihrem Gusto schien indes Gabriel Faurés Elegie op. 24 zu sein. Hier hat das Cello zu singen, und es tut es mit sonorer Wärme, spielt die Periodenwiederholung nur ein wenig zurückgenommen, schafft Spannung und bringt ein pulsierendes Piano, das nun wirklich intensiv ist und den Hörer nahe an die junge Cellistin heranführt. Dann eine dichte, stimmige Zwiesprache zwischen beiden Instrumenten: wunderbar. Nun das einzige Solo: Birgitta Lutz mit dem Notturno III, dem „Liebestraum“ von Franz Liszt, oft genug sentimental malträtiert. Hier nichts von Kitsch: Das Thema kam bestimmt und ebenmäßig, dabei mild und spannungsvoll. Herrliche, subtil abgestimmte Klangfarbenvielfalt. Spannung von Anfang bis Ende. Optimal. Zum Schluss ein virtuoser Reißer: Die Ungarische Rhapsodie op. 68 von David Popper, die Volkstümliches und virtuose Kunststücke aneinander reihte. Sena Alcover beherrscht sie zweifellos, aber derartiges muss musikantischer und beiläufiger heruntergefiedelt werden, wenn es wirklich mitreißen soll. Reich und interessant im kreativen Spiel verschiedener Stile: die „Valse Melange“ als Zugabe, von Birgitta Lutz selbst komponiert und unbedingt hörenswert.

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