Grünstadt Nannys und Wandermusikanten

Gerne schmückt man sich in Großkarlbach mit dem Titel, das kleinste Dorf der Welt mit einem eigenen Jazzfestival zu sein. Am Samstag, 11. Juli, soll die 14. Auflage der Langen Nacht des Jazz stattfinden: In fünf Höfen, in der alten Kirche und im Caféhaus am Eckbach gibt es dann wieder Livemusik. Die Besucher können ab 20.30 Uhr nach Lust und Laune von einer Band zur anderen flanieren.

Im über 300 Jahre alten Sternenhof der Musikerfamilie Matejcek spielen die Wandermusikanten aus Wiesbaden. Das Programm der Band reicht von Pachelbel bis Pastorius, von Klassik bis Pop, von Volks- bis Filmmusik, von New Orleans über Lateinamerika bis zum Balkan. Die Gruppe beruft sich auf die 1816 in der Nordwestpfalz entstandene Bewegung der Wandermusikanten: Kapellen zogen angesichts von Überbevölkerung und wirtschaftlicher Not über die Lande, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Gruppen spielten in der Heimat einstudierte Stücke, die von einfachen Volksliedern bis hin zu Opernmelodien reichten. Erweitert wurde das Repertoire durch die neuen musikalischen Eindrücke der Länder, in die es sie verschlug. In Amerika waren das die Anfänge des Jazz: Ragtime, Cake Walk, One Step oder Two Step. Im Alten Weingut hat der Sieben Mühlen Kunst- und Kulturverein seine wichtigste Bühne für Veranstaltungen. Hier tritt bei der Langen Nacht des Jazz die in Frankenthal lebende Bassistin Lindy Huppertsberg mit Thilo Wagner am Piano und Gregor Beck am Schlagzeug als Trio Centerpiece auf. Als Gast ist Axel Schlösser an der Trompete dabei. Das Programm ist eine Hommage an Louis Armstrong und Duke Ellington. Centerpiece sieht sich in der Tradition der Swinging Small Bands der 40er- bis 60er-Jahre. Diese Bands bestanden häufig aus Musikern der berühmten Bigbands von Count Basie, Duke Ellington oder Lionel Hampton, die in kleineren Besetzungen einfach mehr zu Wort und Ton kommen wollten. Im Bärenhof sind die Nannys aus Worms zu erleben, die auch schon beim Festival Jazz and Joy auf der großen Bühne des Weckerlingplatzes aufgetreten sind. Mit Harmoniegesang, Saxofon und Rhythmusgruppe beschwört das Quintett das Lebensgefühl der 50er-Jahre herauf. Ralf Orth will als Moderator humorvoll durch den Abend führen und mischt selbst als Bassist, auf der Ukulele, als Trompetenimitator und Sänger mit. Nach langer Pause ist die Blue Note Jazz Company wieder dabei. Sie tritt im Sekthof auf. Seit 40 Jahren besteht die Band um den Trompeter, Sänger und Arrangeur Helmut Werron. Zum Repertoire gehören Stücke von den Altmeistern wie Louis Armstrong oder Duke Ellington, aber auch der Jazz der 50er- und 60er-Jahre. Das Caféhaus ist die einzige Spielstätte bei der Langen Nacht des Jazz, die eine junge Geschichte hat. Die Halle war ursprünglich eine kleine Gärtnerei mit Blumenladen und wurde von Jürgen Morcinczyk und Matthias Ufer zu einem Caféhaus umgebaut. Hier spielt am 11. Juli die Oberrheinische Bluesgesellschaft. Sie besteht seit 1981 und ist damit eine der dienstältesten Bands des Rhein-Neckar-Raums. Sie steht für handgemachten Blues aller Spielarten von Country-Blues bis Bluesrock. In der Rheinmühle tritt seit vielen Jahren der Posaunist und Arrangeur Alexander Katz mit verschiedenen Bands auf. In diesem Jahr kommt er mit einer neuen Formation: Al Cat & the Roaring Tigers. Die neunköpfige Band hat sich dem Swing der 40er-Jahre verschrieben, spielt auch Jump’ n’Jive, Rhythm’n’Blues und Rock’ n’ Roll der 50er-Jahre. Im Programm hat sie Stücke von Louis Prima, Frank Sinatra, Ella Fitzgerald, Louis Armstrong, Bing Crosby, Eartha Kit, Dean Martin, Doris Day und Nat King Cole. Die protestantische Kirche ist sicher die älteste Spielstätte der langen Jazznacht, stammt doch der Turm aus dem 12. Jahrhundert. Dieses Jahr spielt hier das Klezmer Quartett Heidelberg auf. Klezmer hat sich aus der Hochzeitsmusik der askenasischen Juden im Osteuropa des 19. Jahrhunderts entwickelt. Ursprünglich war es eine reine Instrumentalmusik, hauptsächlich gespielt mit Fidl und Zimbl. Erst viel später kamen die heute typischen Instrumente Klarinette und Akkordeon dazu. In den 70er-Jahren erlebte Klezmer in Amerika eine Renaissance und reicherte sich mit den Jazzstilen der Südstaaten an. Zehn Jahre später schwappte die Welle zurück nach Europa. Das Klezmer Quartett Heidelberg greift den aktuellen Stil europäischer und amerikanischer Klezmer-Interpreten auf und will auch an die Spielweise der alten Klezmorim aus Osteuropa erinnert. Warum das Quartett aus fünf Musikern besteht – die Geschichte soll am Konzertabend erzählt werden. (red) Karten Eintrittskarten gibt es zu 15 Euro im Vorverkauf (Abendkasse 17 Euro) bei Volker Budde, Telefon 06238/3301, im Versicherungsbüro Riegel Mayer Hintenlang in der Hauptstraße, 06328/989144, sowie im Caféhaus am Eckbach in der Silvanerstraße, 06238/ 4498. In der Langen Nacht des Jazz werden in allen Höfen (nicht in der Kirche) Speisen und Getränke angeboten. Die Spielstätten sind ab 19 Uhr geöffnet.

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