Grünstadt „Mich erfüllt Liebestoben zu dir!“

„Ich weiß nicht, was Liebe ist.“ Mit ein paar humorvollen Zeilen von Erich Fried eröffneten die SWR-Fernsehmoderatorin Kerstin Bachtler und der Schauspieler Bodo Redner am Freitagabend ein Dinner für alle Sinne auf der Burg Battenberg. Anlässlich des 25. Jubiläums des Restaurants wurde unter dem Motto „Lyrik zum Anbeißen“ ein Vier-Gänge-Menü serviert, untermalt mit zahlreichen erotischen Gedichten vom Barock bis zur Gegenwart.

Eigentlich hätten die Gäste – ausschließlich Paare mittleren Alters – in lauer Sommernacht zwischen blühenden Oleanderbäumen im romantischen Hof in Gefühlen und kulinarischen Genüssen schwelgen sollen, doch ein heftiges Gewitter am Nachmittag hat diesen Plan fortgeschwemmt. So geht es nach dem Sektempfang mit den Worten Christian Morgensterns im Ohr „Mich erfüllt Liebestoben zu dir! Ich bin deinst, als ob einst, wir vereinigst“ hinein ins altehrwürdige Gemäuer. Dort stehen auf den weiß gedeckten Tischen große Sträuße gelber Rosen, rote Rosen zieren die Servietten. Gelungen ist der Einstieg mit „scharfen Melonenspießen“. Nein, sie sind nicht in Form von Eros’ Pfeilen geschnitzt, vielmehr sind sie mit Chili garniert. Sie mögen sich einwickeln lassen von Serrano-Schinken und wälzen sich im Rucola-Bett. Ausdrucksstark duellieren sich Bachtler und Redner als Alexander Puschkins „Verstand und Liebe“. Es folgen Gedichte von Karl Krolow (1915 bis 1999), Gotthold Ephraim Lessing (1729 bis 1781), Erich Kurt Mühsam (1878 bis 1934) und anderen. Auch „Das Bild des Mann’s in nackter Jugendkraft“ vom „chronisch unverheirateten“ Wilhelm Busch ist zu hören. Nach einem verführerischen Basilikumschaumsüppchen mit Kirschtomaten und Mozzarella schwärmt Klabund (Alfred Henschke): „Dein Mund, der schön geschweifte, dein Lächeln, das mich streifte, dein Blick, der mich umarmte, dein Schoß, der mich erwarmte.“ Witzig ist Miriam Frances’ Geständnis: „Ich bin im Mai idiotisch erotisch.“ Am Ende heißt es: „Die alte Erde trägt junges Gemüse, ein Früchtchen wird frühreif gepflückt. Es wiederbelebt sich die Hirnanhangdrüse, vom Zucken des Frühlings entzückt.“ Die beiden Vortragenden nähern sich auch in Gestik und Mimik dem Höhepunkt. Dass sie dabei immer wieder auf die Textblätter schielen müssen, ist schade. Während in der Küche dicke Hähnchenbrüste brutzeln, lauschen die rund 30 Gäste dem vierteiligen Sonett „Picknick im Bett“ von Gabriella Wollenhaupt und mittelalterlichen Tageliedern. Bachtler und Redner zitieren „Die Schlafsolistin“ von Fritz W. Bernstein, worin er sie aufzählen lässt, wo sie „es“ gern macht: im engen Taubenschlag, im Beichtstuhl oder auf dem Drei-Meter-Brett, „nur nachts im Bett möchte ich alleine bleiben!“ Da auch Tiere Gefühle haben und unter Liebeskummer leiden können, wird die ebenso lustige wie dramatische „Traurige Geschichte“ von Victor von Scheffel präsentiert, in der ein Hering vergeblich um die Gunst einer Auster wirbt. Von Friedrich Theodor Vischer gibt es die urkomische „Prähistorische Ballade“: ein verliebter Ichthyosaurus wird zum „zärtlichsten Ichthyosüß“. Nach einem kurzen Ausflug in die Welt der (liebenden) Pflanzen und zwei Zugaben wird rein pflanzliches kredenzt: ein Himbeer-Buttermilch-Mousse auf Vanillespiegel, nett angerichtet mit einem blühenden Pfefferminz-Zweiglein sowie einem weißen und einem braunen Schoko-Herzchen: ein leckeres i-Tüpfelchen auf einem Abend voller Höhen und mit emotionaler Tiefe. Jetzt könnte jeder aus dem Publikum Erich Fried erklären, was Liebe ist.

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