Grünstadt Halt in der Gemeinschaft

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Wolkenverhangen zeigt sich der Himmel an diesem trüben Mittwochvormittag, Nieselregen gibt es obendrein. Kein Wetter, das Lust macht auf einen Bummel im Freien. Dennoch sind die 18 Leute, die sich am Bahnhof in Grünstadt bei Franz Krätschmer und Gabriele Reiß einfinden, guter Dinge. Sie freuen sich auf einen Ausflug zum Weihnachtsmarkt nach Speyer.

Die 13 Frauen und fünf Männer aus der Region Neustadt, Grünstadt und Göllheim von der Kontaktgruppe psychisch Kranker fahren mit zwei Kleinbussen nach Speyer. Die RHEINPFALZ darf sie begleiten. „Wir haben nichts dagegen, eine psychische Erkrankung kann jeden treffen“, so das einhellige Credo. Das psychische Handicap kann angeboren sein oder schleichend und unerwartet kommen, es kann über kurze oder längere Zeit andauern. Wenn vermeintlich leichte Dinge des Alltags nur noch schwer zu bewältigen sind und das seelische Gleichgewicht ins Schwanken gerät, erweist sich die Kontaktgruppe als hilfreicher Glücksfall. Das sagen alle in der Gruppe. Bei der Ankunft in Speyer regnet es heftig. Wir flüchten deswegen vom Parkplatz in eine gemütliche Gaststube. Zeit zum Plaudern und Erzählen, wer das möchte. Einer 76-jährigen Grünstadterin ging es vor einem Jahr ziemlich schlecht, als ihr Mann plötzlich starb. „Ich war sehr deprimiert“, erzählt sie. Ihre Bekannte, eine 75-jährige Eisenbergerin, die seit sieben Jahren der Kontaktgruppe angehört, überredete sie, einmal mitzukommen. „Das hab ich dann gemacht und fühle mich seitdem wohl in der Gemeinschaft“, so die Grünstadterin. Regelrecht wieder aufgelebt ist eine 83-jährige, äußerst rüstige Dame. Sie fiel nach dem Tod des Gatten und einer folgenden körperlich schmerzhaften Erkrankung in ein seelisches Tief mit starken Depressionen, Angst- und Panikattacken. Ein längerer stationärer Aufenthalt in einer Fachklinik war notwendig. Ein erster Versuch der Entlassung aus der Klinik an einem Samstag scheiterte: „Ich habe es nicht ertragen, alleine in meinem Haus zu bleiben, so dass ich montags wieder in die Klinik ging.“ Schrittweise kämpfte sich die Seniorin zurück ins Leben, ging wieder unter Menschen. „Das hat mir gut getan.“. Die Besuche und Gespräche mit der Sozialarbeiterin Gabriele Reiß seien dabei sehr hilfreich gewesen. Mittlerweile nimmt sie wieder am gesellschaftlichen Leben teil. „Ich habe ein volles Programm und bin gut beschäftigt“, strahlt die Seniorin. Dank der Kontaktgruppe hat ein 57-jähriger wieder in die richtige Spur gefunden. Die Gruppe ist für ihn seit zehn Jahren fast wie eine zweite Familie. Führerscheinentzug wegen Alkohol, monatelanger Klinikaufenthalt, Verlust von sogenannten Freunden. Das ist vorbei. „Vor allem Franz Krätschmer habe ich durch die vielen Gespräche viel zu verdanken“, sagt der Mann aus dem Neustadter Raum, der mit 46 Jahren nochmal neu den Führerschein machte und einen festen Job als Fahrer bei der Tafel in Neustadt hat. Die dunklen Wolken haben sich verzogen. Beim Gang über den Weihnachtsmarkt scheinen die Kontakt-Leute vor allem das gemeinsame Gruppenerlebnis zu genießen. „Das war mal wieder ein richtig schöner Tag“, wird etliche Male bei der Rückkehr in Grünstadt geäußert. „Wir sehen uns bei der Weihnachtsfeier“, verabschieden sich Reiß, Krätschmer und die anderen. Sie alle freuen sich schon darauf. (gsp) Info Treffpunkt Kontaktgruppe Grünstadt, Café-Bistro Lebensreich, Haarschnur 46, jeden zweiten Mittwoch im Monat, 14 bis 16 Uhr. Die nächsten Treffen sind am 6. Januar, 3. Februar und 2. März. Weitere geplante Ausflüge: Reptilium Landau, Kakteenland Steinfeld, Zoo Karlsruhe. Ansprechpartner Kontaktgruppe: Gabriele Reiß, Telefon 06322/961-7206, und Franz Krätschmer, Telefon 06322/961-7204.

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