Grünstadt Fastenzeit als „Weeks for Future“

In der gegenwärtigen Fastenzeit leben manche nach der Devise „Sieben Wochen ohne“: Freiwillig verzichten sie zum Beispiel auf Fleisch, Süßigkeiten, Handy, Lügen, Meckern, Auto und Flugreisen. Sie entdecken: Wenig genügt für ein zufriedenes Leben und alles ist kostbar.

Im Blick auf die Gesellschaft setzen sie ein Zeichen: Es kann so nicht weitergehen mit unserer „Zuvielisation“. Mensch, Tier und Natur vertragen den ausufernden Raubbau nicht länger. Neben uns bereits jetzt die Sintflut. Jederzeit kann vielfältiges Unheil auch uns treffen. Gegenwärtig protestieren vor allem Jugendliche dagegen. An „Fridays for Future“ fordern sie weltweit, endlich zu handeln, das Klima zu schützen und das Überleben einzuüben. Tatkräftige Unterstützung erhalten sie jetzt von all denen, welche die alte Fastenzeit nutzen und „Weeks for Future“ erproben. In der Geschichte vom Besuch Jesu bei Martha und Maria (Lk 10, 38-42) legt Martha richtig los. Sie praktiziert die damals in Israel selbstverständliche Gastfreundschaft. Sie gibt sich viel Mühe. Sie bewirtet Jesus und seine Jünger. Ganz anders Maria. Diese sitzt nur untätig herum. Sie hört Jesus aufmerksam zu. Aber Jesus lobt sie dafür. Denn sie sprengt die traditionelle Rolle, welche die Kultur und ihre Schwester von ihr erwarten. Maria ist ganz offen für Jesus und seine befreiende Botschaft. Ihr Zuhören ist die intensivere Art von Gastfreundschaft. Ruhe und Konzentration auf Gott sind Kern echten Fastens. Erst wer leer wird, kann eingefleischte, problematische Lebensmuster erkennen und umkehren. Martha versorgt Jesus zwar mit Nahrung, nimmt sich aber keine Zeit, seine Botschaft im Herzen zu bewegen. Martha funktioniert wie geschmiert. Sie verweigert aber spirituelle und gesellschaftliche Erneuerung. Zweierlei macht die christliche Fastenzeit aus: Zuerst versenke ich mich in Gottes wohlwollende Gegenwart. Ich werde achtsam für die Verbundenheit alles Lebendigem. Aufgrund ruhiger Besinnung entfliehe ich besinnungsloser Hast. Wunderbares kommt in mir zur Blüte. Mein Herz weitet sich. Meine Verantwortung wächst dann wie von selber über mein kleines Ich hinaus. Ich kann gar nicht mehr anders, als mich auch zu öffnen für Mitmenschen, Tiere und Natur. Einfaches Leben bedeutet mir nicht länger bitteren Verzicht, sondern schenkt mir ungeahnte Lebensfreude. „Sieben Wochen ohne“ lassen mich die Schönheit der Genügsamkeit entdecken. Das Fest der Feste, Ostern, ist dann auch nicht Endpunkt, sondern Quelle zur Umkehr heute und hier. Gemeinsam mit Youthtopia starte ich womöglich sogar durch für „Years for Future“!? Der Autor Richard Eberle ist Pfarrer zur Dienstleistung im Dekanat Bad Dürkheim-Grünstadt.

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