Grünstadt Die Flexible

„Und, wie hat Ihnen der Abend gefallen?“: Christine Prayon – hier als alternde Diva.
»Und, wie hat Ihnen der Abend gefallen?«: Christine Prayon – hier als alternde Diva.

Mit ihrem Programm „Die Diplom-Animatöse“ hat die Kabarettistin und Schauspielerin Christine Prayon das Publikum am Samstagabend im Evangelischen Gemeindehaus in Eisenberg beeindruckt. Die 43-Jährige – die als „Birte Schneider“ in der heute-Show des ZDF auftritt – setzt nicht auf Schenkelklopfer, ihr Humor ist tiefgründig.

Christine Prayon hat sich vorbereitet auf ihren Auftritt. Eisenberg? Na, ist doch bekannt für Klebsand. Und für diese „unverwesliche Hand“, die im Eingang der protestantischen Kirche zu sehen ist. Nun, was macht man für ein Programm, in dem Klebsand und eine Hand vorkommen? Eben. Nicht so einfach. Also bringt sie ein Eisenberg-Wohlfühlprogramm. Es ist ein Abend voller Kontraste. Prayon bedient sich Klischees und schafft es zugleich, ernste Themen mit Klamauk zu verbinden. Das Publikum muss aufmerksam sein. Das Spiel mit dem Wechselbad der Gefühle kommt gut an. Die Zuhörer im voll besetzten kleinen Saal „Auf der Bühne“ bedanken sich bei der Künstlerin mit einem großen Schlussapplaus. Und den hat sich Prayon wahrlich verdient. Während des zweistündigen Programms schlüpft sie in verschiedene Rollen. Als alternde Diva im Abendkleid und mit blonder Lockenperücke auf dem Kopf singt sie mit klarer und festen Stimme Frank Sinatras Stück „I Did It My Way“ in deutscher Sprache und lässt dabei die Hüllen fallen, bis eine Herrenunterhose und halterlose Strümpfe zum Vorschein kommen. Dabei haucht sie ins Mikrofon: „So leb’ dein Leben. So war mein Leben.“ Der 43-Jährigen gelingt der Spagat zwischen Melancholie und Humor. Die Gedankensprünge in den unterschiedlichen Szenen, in denen sie immer wieder das richtige Gespür für die Gefühlswelt ihrer momentan dargestellten Figur beweist, zeigen, wie breitgefächert Kabarett sein kann. So liest sie aus dem fiktiven Tagebuch ihrer bis ins kleinste Detail beschriebenen Figur Scarlett Schlötzmann vor, die herausfindet, dass ihre Mutter heimlich darin blättert und sogar noch eine Notiz hinterlässt. „Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, dass ich dein Tagebuch lese. Deine Mama.“ Dafür bekommt Prayon viele Lacher. Wer einen Comedyabend mit Witzen am laufenden Band erwartet hat, wird enttäuscht nach Hause gegangen sein. Schenkelklopfer sind Fehlanzeige. Doch besteht anspruchsvolles Kabarett nicht aus Situationskomik? Das Publikum gibt der Künstlerin Recht, die bereits seit acht Jahren mit diesem Programm auf Tour ist. Es sind die kleinen Dinge und Geschichten des Alltags, die dank der Pointe an der richtigen Stelle zum Nachdenken oder Lachen einladen. Und dass beides gleichzeitig geht, beweist die Kabarettistin mit ihrem „Gedicht gegen Nichtskönner“, in dem sie sich selbst auf die Schippe nimmt und schließlich einräumt, dass sie kein weiteres Gedicht geschrieben hat. Wie sie auf dieses Thema gekommen ist, erklärt Prayon so: „Es gibt so viele Leute, die denken, sie könnten was, aber in Wirklichkeit können sie doch nichts.“ Die in Stuttgart lebendende Schauspielerin macht Kabarett auf ihre eigene Weise. Unangepasst, überraschend ehrlich und gesellschaftskritisch. Dank der unterschiedlichen Sichtweisen und Perspektiven der verkörperten männlichen und weiblichen Rollen in den wild durcheinander gewürfelten Szenen, ermutigt sie das Publikum, die eigene Denkweise zu reflektieren. Und dann „stirbt“ die Künstlerin auf der Bühne. Wegen eines Pfefferminz-Bonbons, den ihr ein Zuschauer gegeben hat. Um ein paar Minuten später wieder voll da zu sein: Das surreale und vielleicht zunächst irritierende Spiel gelingt. Wieder unter den Lebenden, erklärt Prayon anhand einer mathematischen Gleichung, weshalb die Deutschen „ein humoristisches Potenzial in homöopathischen Dosen“ haben. Die Mimik und Gestik sowie die Wortakrobatik sind auf höchstem Niveau. Und wieder ein Szenenwechsel. Kurzerhand parodiert Prayon im Badeanzug und mit Taucherbrille den Comedian Mario Barth und liest dazu ein Gedicht vor. „Und wie hat Ihnen der Abend jetzt gefallen?“, will die Diplom-Animatöse wissen. Um kurz darauf einen Lottoschein an den Zuschauer zu verschenken, der bei dem vom Verein „neuer landweg“ organisierten Abend am wenigsten Spaß gehabt hat.

x