Grünstadt Der Riesling ist das Zugpferd

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GRÜNSTADT. Weinbau und Kellerwirtschaft sind keine Männerdomäne mehr. Immer mehr Frauen, vor allem in Familienunternehmen, drängen an die Spitze, geben den Ton an. Mit Fachkompetenz, Elan und Schaffenskraft. Dorothee und Karoline Gaul vom Weingut Karl-Heinz Gaul in Grünstadt-Sausenheim sind so ein Beispiel.

„Wir stehen zu dem, was wir tun“, sagt Dorothee Gaul. Schwester Karoline nickt zustimmend. Gemeinsam lassen die beiden jungen Frauen in den mitunter felsig anmutenden Weinbergen und dann im Keller nichts unversucht, „damit man schmeckt, wo der Wein gewachsen ist“. Die Riesling-Riege des Hauses Gaul lässt leicht erkennen, worauf es den beiden Winzerinnen ankommt: auf eine Stilistik, die viel Mineralität hervorbringt und selbst die mitunter etwas steinige Note, die Weine luftig und leicht daherkommen lässt. Geprägt ist das von einer schlanken, straffen Eleganz, die der Trocken-Philosophie der beiden Weinmacherinnen ganz besonders entgegenkommt. Damit belegen die jungen Damen eindrucksvoll, dass die Weinstraße selbst dort, wo sie nicht immer mit mediterran anmutenden Temperaturen prahlen kann, Weine hervorbringen kann, die weit über die Pfalz hinaus auf sich aufmerksam machen. Die beiden jungen Unternehmerinnen verstehen eben ihr Handwerk. Und wer den Muskateller Sekt gekostet hat, wird nie mehr behaupten, auf den Kalkböden in Sausenheim oder Asselheim könne aus den Trauben nichts werden. Dorothee und Karoline Gaul wissen es besser. Nachdem Vater Karl-Heinz Gaul in den 1990er-Jahren dem elterlichen Betrieb den Rücken gekehrt hatte, hat er in Grünstadt-Sausenheim gemeinsam mit seiner Frau und den beiden kleinen Mädchen noch einmal neu begonnen, dem Weingut seinen Namen gegeben. Heute wäre er sicher mächtig stolz, könnte er noch erleben, mit welch einer Schaffenskraft seine beiden Töchter, 30 und 32 Jahre alt, fortführen, was er ihnen viel zu früh hinterlassen musste. Seit 2011 führen die Gaul-Schwestern bereits den Betrieb. Ihre Ausbildung absolvierten sie in renommierten VDP-Betrieben, bei Bassermann-Jordan in Deidesheim, Mosbacher in Forst, bei Dr. Wehrheim in Birkweiler. Mit einem Weinbaustudium in Geisenheim haben sie ihr Rüstzeug komplettiert. Die freie Hand, die ihnen der Vater schon sehr früh ließ, auch als sie manches so ganz anders machten als er selbst es ein Leben lang tat, habe ihnen Mut gemacht, sagen sie. Dabei war den jungen Winzerinnen rasch bewusst, dass es Böden zu bestellen galt, die es weder den Reben, noch ihnen selbst immer leicht machen. Dennoch hat die Familie ihre Flächen rund um Grünstadt immer wieder erweitert. Heute bewirtschaften die Schwestern 20 Hektar, füllen rund 120.000 Flaschen pro Jahr und frönen mit Hingabe ihrer Leidenschaft, die sie mit immer mehr Kunden teilen: dem Riesling. Kerner oder Müller-Thurgau sind längst aus der Mode, haben bei den beiden Frauen ihre Existenzberechtigung verloren. Dafür kredenzen Karoline und Dorothee Gaul ihren Gästen einen trockenen Sankt Laurent aus dem Barrique-Fass oder einen dieser filigranen Weißburgunder. Im Mittelpunkt stehen allerdings Riesling und Burgunder. Alleine der Riesling mache 40 Prozent der Ernte aus. Und die Trauben, die an den inzwischen mehr als zwei Jahrzehnte gewachsenen Rebstöcken reifen, bereiteten ihnen besondere Freude. „Daraus können wir schöpfen“, betont Dorothee Gaul. Nichts wird ihnen zu viel, geht es um die Entwicklung ihres Weinguts, dessen Jahresumsatz sie mit 700.000 Euro beziffern. Der Betrieb wird konventionell bewirtschaftet. Das heißt aber nicht, dass die Weinberge nicht begrünt sind, die Rebstöcke nicht entblättert werden. „Das gehört einfach dazu“, versichert Karoline Gaul. Alleine das Schlepperfahren zwischen den Rebzeilen überlassen sie einem Mitarbeiter. Die Weine sind nach VDP-Vorbild gestaffelt in Gutsweine, Ortsweine und Lagenweine. Als Krönung – das seien sie ihrem Namen schuldig – setzen die Gauls auf das „Zugpferd“. Nur akribisch, von Hand verlesene Trauben aus den allerbesten Lagen schaffen es in diese Qualitätsstufe, der auch eine lange Lagerzeit im Keller vergönnt ist. Es sind Weine, die viel Lagerzeit brauchen und nicht mal ein Gramm Restzucker haben. Dorothee Gaul, die Technikerin, ist vor allem im Keller gefragt, während Karoline sich auch ums Marketing und all das kümmert, was nicht unmittelbar mit der Vinifikation zu tun hat. Einfach sei es nicht gewesen, die vielen Stammkunden für die neue Klassifikation zu sensibilisieren, erzählen sie. Viel Überzeugungsarbeit hat da auch Seniorchefin Rosemarie Gaul leisten müssen. Gerade in einer Zeit, in der noch die komplette Jahresproduktion direkt ab Hof vermarktet wurde. Doch auch hier gab es einen Wandel. Heute liegt der Hofverkauf noch bei 70 Prozent, der Rest geht in die Gastronomie und den Fachhandel. Karoline Gaul bearbeitet inzwischen auch Weinlieferungen nach Amerika und Taiwan. Ein 2015 Asselheimer Riesling, Ortswein, kostet 9,50 Euro.

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