Grünstadt Der erste deutsche Filmstar

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New York, Washington und Kallstadt sind die Wegmarken des in die Politik strebenden Unterhaltungsstars Donald Trump. Sein ausgeprägter Selbstdarstellungsdrang hat den Blick verstellt auf einen anderen Spross des Pfälzer Bodens: Am gestrigen Dienstag jährte sich zum 60. Mal der Todestag des einst gefeierten, heute komplett in Vergessenheit geratenen Filmschauspielers Ludwig Trautmann, dessen Vater aus Carlsberg stammte.

Ludwig Trautmann, nie gehört? Mag sein, denn „der erste deutsche Filmstar“ – wie ihn 1957 der Kritiker Curt Riess nannte – wurde berühmt und beliebt, als das Kino noch stumm war und sich gerade anschickte, von einer Jahrmarktsattraktion zur Kunstform zu werden. Noch vor dem Ersten Weltkrieg avancierte der groß gewachsene Gutausseher zum Publikumsmagneten. Und was für einer! Als Trautmann 1914 zur Premiere seines Films „Der Pfarrer von Kirchfeld“ in den Berliner Marmorhaus-Kinopalast schritt, wurde die Treppe mit Lorbeerblättern bestreut. Im brandenburgischen Glienicke residierte er in einem Schlösschen mit 22 Zimmern, das er für die seinerzeit unerhörte Summe von 480.000 Mark gekauft hatte. Die Schwärmerei seines dahinschmelzenden Teenager-Publikums – damals sagte man Backfische – trieb Marktwert und Gagen empor. Dabei kam der Leinwandheld aus kleinen Verhältnissen. Im mittelfränkischen Dachsbach geboren, war er der Sohn eines jener Textil-Hausierers, die 1877 in Carlsberg den Handelsverein gegründet hatten. Der Vater stammte aus dem Erholungsort am Nordrand des Pfälzerwalds, Ludwig Trautmann ging hier sieben Jahre lang zur Schule. „Später arbeitete der Vater in einem Steinbruch, bis ihn ein Unglück aus der Bahn warf“, berichtet Christiane Witzke. Die Bibliothekswissenschaftlerin aus Mecklenburg ist mit einem Großneffen des Schauspielers verheiratet und hat gemeinsam mit Erika Dörner vom Handelsverein Carlsberg den Lebensweg des prominenten Familienmitglieds nachgezeichnet. Den Arbeitsunfall des Trautmann-Vaters im Steinbruch kommentiert sie nicht ohne Bitterkeit: „Er wurde verschüttet. Psychische Spätfolgen machten eine Einweisung in eine Nervenheilanstalt notwendig, wo er nach fast 30-jährigem Aufenthalt starb. Die Familie war seitdem mit einem Makel behaftet.“ Auch Ludwig Trautmann, der während des Ersten Weltkriegs einen Film nach dem anderen drehte, versuchte „Flecken“ seiner Biografie zu verbergen. Der jugendliche Held und Liebhaber des Kintopp war (oder galt als) schwul – und männliche Homosexualität wurde aufgrund des berüchtigten Paragrafen 175 als Straftat geahndet. Vor der Kamera hielt Trautmann derweil die schönsten und exotischsten Frauen des Stummfilms in seinen Armen: Hedda Vernon in „Die Millionenmine“ (1913), Fern Andra in „Die Seele einer Frau“ (1915), Leontine Kühnberg in „Das lebende Rätsel“, Asta Nielsen in „Das Liebes-Abc“ (beide 1916), Henny Porten in „Die Ehe der Luise Rohrbach“ (1917). Lange vor Wilhelm Dieterle, O. W. Fischer und Helmut Berger spielte Ludwig Trautmann in „König ihres Herzens“ (1916) den Bayern-Monarchen Ludwig II. Unter der Regie des auch als Sensationsdarsteller bekannten Harry Piel drehte er eine ganze Serie um die mysteriösen Abenteuer eines wagemutigen Detektivs, ehe er schließlich selbst auf dem Regiesessel Platz nahm und zudem eine eigene Produktionsfirma gründete. Das Ende dieser kometenhaften Karriere, die sich heute bestenfalls mit der ans Hysterische grenzenden Verehrung diverser Boygroups vergleichen lässt, kam abrupt. Nach 1924 gelangten keine neuen Ludwig-Trautmann-Filme in die Kinos, zwei Jahre später wurde er in München wegen Verstoßes gegen den Paragrafen 175 zu einer Geldstrafe verurteilt. Schließlich starb die von ihm betreute Mutter. Als er endlich einen Neuanfang wagte, hatte nicht nur der Ton- den Stummfilm abgelöst, sondern auch der NS-Geist Einzug gehalten. Diesmal brachte ihn seine Homosexualität hinter Gitter, schließlich ins KZ Lichtenburg. Nachdem eine „Verlobte“ seine Entlassung erreicht hatte, ging er über die Schweiz nach Frankreich, wo er zu Kriegsbeginn als feindlicher Ausländer interniert wurde. Zurück in Berlin, stand er 1941 wegen „widernatürlicher Unzucht“ erneut vor Gericht. Damit nicht genug: Nach Kriegsende wurde seine Anerkennung als „OdF (Opfer des Faschismus)“ widerrufen, weil er kurzzeitig Mitglied der NSDAP gewesen war – und Schwule nach wie vor als Kriminelle galten. Schnelllebiger Starruhm als Achterbahnfahrt. Aufstieg und Fall eines Massenidols. Von den Höhen glitzernden Kino-Glamours in den Abgrund des Vergessens. Die Wiederentdeckung des einstigen Publikumslieblings steht weiter aus.

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