Grünstadt Der Bessermacher

Professor Olaf Bär (rechts) korrigiert Yeon Seo Ra am Flügel und den Sänger Buyan Li.
Professor Olaf Bär (rechts) korrigiert Yeon Seo Ra am Flügel und den Sänger Buyan Li.

Besuch beim Meisterkurs des Kirchheimer Liedersommers: Nach wenigen Takten wird klar, Dozent Professor Olaf Bär weiß genau, wo er die Hebel ansetzen muss, um dem jungen Sänger und seiner Begleiterin am Klavier unter die Arme zu greifen. Buyan Li aus China hat sich zusammen mit der Pianistin Yeon Seo Ra (Korea) das Schubert-Lied Ganymed ausgesucht, kein leichter Stoff, aber einer an dem Bär bis in kleinste Details trefflich feilen kann.

„Lassen Sie den Vogel fliegen“, erklärt Bär bildhaft dem jungen Sänger, der bereits über eine weitgehend perfekte Aussprache verfügt, was er verbessert haben will – sprich: Die Artikulation, die Li wählt, ist nicht dem Notenbild Schuberts entsprechend. Bär arbeitet weitgehend mit solchen Vergleichen, erklärt beispielsweise: „Die Nachtigall ist ein kleiner Vogel. So wie Sie das singen und spielen, erinnert das mehr daran, dass ein Kranich abheben will“. Dieser Verweis auf die Dynamik und die Leichtigkeit der Komposition an der gerade zu bearbeitenden Stelle, setzen Li und Ra sofort um. Der Erfolg der Korrektur ist für die Zuhörer im Schulsaal der Kirchheimer Grundschule sofort erkennbar, dafür muss niemand ein ausgesprochener Experte für diese Musikform sein. Dem Dozenten ist bewusst, dass es für Li als Chinesen schwierig ist. Die Betonung von „Nachtigall“ beispielsweise korrigiert Bär mit den Wort: „Das kommt nicht von ’nach’ sondern von ’Nacht’.“ Mehrfach wird die Stelle gesungen, die Wirkung der Korrekturen sind auch an der Gestik Lis zu sehen, der mit der Veränderung der Aussprache auch stärker stützt, also die Atemtechnik verändert. Langsam baut Bär die Veränderungen auf, kommt schließlich zum springenden Punkt, macht dem jungen Sänger klar, dass er „mit der Sprache führen muss“. Während Li zunächst häufig seiner Begleiterin am Flügel die Zügel überlässt, verändert er sein gesamtes Verhalten im Lauf der 45-minütigen Unterrichtseinheit des Meisterkurses. „Die Sprache geht im Kopf voran, Sie müssen die Konsonanten immer etwas vor der Zeit denken“, erklärt Bär. Li hat daraufhin das Gefühl, zu schnell zu singen. Der Lehrmeister sieht das anders: „Ganz im Gegenteil, jetzt sind sie beide zum ersten Mal im Tempo, sie haben jetzt ein anderes künstlerisches Level erreicht“, lobt der Professor für Liedgestaltung, der sonst in Dresden lehrt, die beiden Akteure. Nach einem fliegenden Wechsel steht dann die Sopranistin Felicity Förster neben dem Flügel, an dem Anna Anstett (Ukraine) als Begleiterin Platz genommen hat. Ihr Lied an diesem Morgen: „Der genügsame Liebhaber“ von Arnold Schönberg. Ganz andere Stilrichtung, ganz andere Aussage. „Was macht man mit so einem Lied?“, gibt sich Bär wenige Sekunden ratlos, um dann aber sofort klarzumachen, dass das Duo dieses Brettl-Lied Schönbergs „zu akademisch“ angeht. Das spürt der Zuhörer auch am Anschlag von Anna Anstett, die sich erst nach einigen Wiederholungen auf das Instrument einstellen kann. Schnell kommt der Professor zur Sache, zerpflückt mit der Sängerin die Worte des Liedes und ihre Betonung, macht ihr klar, dass sie im 6/8-Takt konstant den ersten und vierten Schlag betont. Bär will einen „jazzigeren Klang“ - und bekommt ihn geliefert. Wieder findet er die individuellen Schwächen und schaltet deren Ursache aus. Ein Meister seines Fachs eben. Konzerte —Heute, 19.30 Uhr, Werkstattkonzert Lied im Weingut Kolb, „Darum lasst uns alles wagen“ Eintritt frei, Spenden erbeten. —Freitag, 20. Juli, 19.30 Uhr Abschlusskonzert in der Evangelischen Kirche, „Im vollen Strom der Zeit“ mit den Teilnehmern des Meisterkurses, Eintritt frei, Spenden erbeten. —Anschließend Finissage der Ausstellung „Dechiffrierte Mechanik“ von Dan T. Fahlbusch in der Kirchheimer Grundschule.

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