Grünstadt Anpfiff statt Strafbank

Frankenthal. In der Justizvollzugsanstalt Frankenthal werden Strafgefangene zu Schiedsrichtern ausgebildet. Ein Besuch.

Der junge Mann mit den raspelkurzen schwarzen Haaren wirkt aufgeräumt. Und selbstbewusst. Seine Schiri-Prüfung hat er nicht einfach nur bestanden: 60 von 60 möglichen Punkten – das ist angesichts der Masse des Stoffs und der Schwierigkeit der gestellten Fragen schlicht sensationell. „Ich hatte keinerlei Probleme, unsere beiden Lehrer haben uns aber auch sehr gut vorbereitet – richtig professionell“, sagt der Mann. Bei aller Coolness, mit der er und seine Lehrgangskollegen am Montag ihre Urkunden entgegen genommen haben: Ein völlig normaler Kurs für die Schiedsrichterobleute des Fußballkreises Rhein-Pfalz, Roland Schäfer und Ralf Klomann, war das nicht. Die Unterrichtseinheiten fanden in den zurückliegenden Wochen hinter den Mauern der Justizvollzugsanstalt (JVA) Frankenthal statt. Die Teilnehmer: zwölf Strafgefangene. Schäfer und Klomann ziehen den Vergleich zu ihren Seminaren „draußen“: „Wir sind beide sehr positiv überrascht, wie intensiv sie mitgemacht haben. Da kamen Fragen auf, die würden wir uns manchmal bei unseren normalen Lehrgängen wünschen.“ Dass keiner der Gefangenen durchgefallen sei, auch keiner von ihnen in die Nachprüfung musste, werten sie als weiteres Zeichen für die hohe Motivation. Zumal die Messlatte fürs Bestehen der Schiedsrichterprüfung hoch liegt: Direkt geschafft hat sie, wer mit den 30 Fragen 53 Punkte und mehr sammelt. Ab 40 Zählern gibt es die Option der Nachprüfung. Die Durchfallquote liegt Jürgen Veth zufolge bei fünf bis zehn Prozent. Veth, der Vizepräsident des Südwestdeutschen Fußballverbandes (SWFV), betont, dass den Unparteiischen die echte Herausforderung noch bevorsteht: ein Spiel selbst zu leiten, die Reaktionen von Publikum und Spielern auf Entscheidungen zu erleben. „Ich vergleiche es immer mit dem Autofahren. Man hat den Führerschein, die Praxis ist etwas anderes“, sagt Veth. Exakt diese Bewährung auf dem Platz ist es aber, die das vom SWFV bereits im Zweibrücker Gefängnis und in der Jugendstrafanstalt Schifferstadt erprobte Projekt „Anstoß für ein neues Leben“ auch umfassen soll – bei Strafgefangenen im Frankenthaler Gefängnis mit seinen eingeschränkten Sportmöglichkeiten eine schwierige Geschichte. Aber zwei der Absolventen sind schon im gelockerten Vollzug, dürfen die JVA also mit einer Begleitperson zeitweise verlassen. „Wir wollen ihnen das zeitnah ermöglichen, ein Jugendspiel zu pfeifen“, berichtet Natascha Becker, Dezernentin in der JVA-Leitung. Weitere Teilnehmer sollen Einsätze bei einem Turnier im Juli im Schifferstadter Jugendgefängnis bekommen. Becker hatte den Kontakt zum Verband im April aufgenommen. Der tiefere Sinn der Aktion aus ihrer Sicht: „Es gibt hier in der JVA mit ihrem geregelten Tagesablauf wenig Abwechslung. Der Schiedsrichterlehrgang mit der Möglichkeit einer Vereinsanbindung ist für die Gefangenen eine Chance, außerhalb der Haft nicht in alte Verhaltensmuster zurückzufallen.“ Bedingung für die Teilnahme ist folgerichtig: gute Führung und keine Probleme mit Drogen. Am Ende blieben jene Zwölf übrig, die diese Woche ihre Urkunden und ein Schiedsrichter-Starterset überreicht bekamen. Das 2009 vom SWFV mit Unterstützung der Sepp-Herberger-Stiftung entwickelte Projekt ist ein Exportschlager: „Mittlerweile läuft es in allen 21 DFB-Landesverbänden“, sagt Erhard Blaesy, Vorsitzender des Schiedsrichterausschusses. Er appellierte angesichts des Nachwuchsproblems im Schiedsrichterwesen: „Wenn Eure Zeit hier drin vorbei ist: Geht auf einen Verein zu. Die brauchen Euch.“ Dass über das gemeinsame Lernen ein Draht zueinander gefunden wurde, macht Roland Schäfer deutlich: „Ich hoffe, dass es Euch wirklich etwas bringt – nicht nur auf dem Platz, sondern darüber hinaus.“

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