Grünstadt Zur Sache: Die Jugendweihe ist eine humanistische Lebensabschnittsfeier

Der Begriff Jugendweihe wurde von dem Theologen Eduard Wilhelm Baltzer (1814 bis 1887) aus Nordhausen geprägt , dem ersten Präsidenten des Bunds Freireligiöser Gemeinden Deutschlands. Er führte die Feier 1852 als Alternative zu Konfirmation und Firmung ein. Als Vorbereitung dazu fand damals ein kulturhistorisch fundierter „Moralunterricht“ statt. Die Weihe der 14-Jährigen soll noch heute den Übergang zum Erwachsenen markieren – also einen Wendepunkt im Leben, der hierzulande meist mit der Schulentlassung zusammenfiel. Die freigeistige Tradition wurde von der Arbeiterbewegung übernommen, 1933 aber von den Nazis. Während im Westen nach Kriegsende wieder Jugendweihen stattfinden durften, blieben sie in der DDR bis 1954 untersagt. Dann wurden sie aber von der russischen Besatzungsmacht für sozialistische Zwecke genutzt: Alle Jugendlichen, auch konfessionell gebundene, sollten daran „zur Gesundung der politischen Lage“ teilnehmen. Bis zu der Feier, bei der sich die Jungen und Mädchen zum sozialistischen Staat bekennen mussten, hatten sie Jugendstunden zu absolvieren – mit Betriebsbesichtigungen, Tanzstunden, Vorträgen über Sexualität und Politik. Wer sich verweigerte, hatte Nachteile zu erwarten, wurde zum Beispiel nicht zum Abitur zugelassen. Nach der Wende hat sich im Jahr 1990 eine Interessenvereinigung Jugendweihe gegründet, aus der der Bundesverband hervorging. Nach wie vor ist die humanistische Lebensabschnittsfeier vor allem im Osten der Republik populär.

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